Geopfert - [Gus Dury ; 1]
Bemerkung aus deinem Mund höre, wird dir dieser Schuh deinen ersten Fick gründlich versauen. Alles klar?«
Er winselte, sagte aber nichts. Also zog ich sein Ohr fester an als eine Flügelmutter.
»Aaah, okay, okay. Tut mir leid, Mister. Tut mir leid und alles …«
Die Jugend von heute. Kein Respekt. Auf dem Rückweg zu meinem Platz lächelte ich eine der alten Frauen an und sagte: »Schuld sind nur die Eltern.«
Allgemeines zustimmendes Nicken.
Die weitere Fahrt verlief still und ruhig. Ich nützte die Zeit, meine Gedanken zu sammeln. Mac war nicht meine einzige Informationsquelle in dieser Stadt; ich hatte immer noch ein paar Gefälligkeiten gut. Und den einen oder anderen könnte ich auch auf andere Weise überreden.
Als ich aus dem Bus sprang, spielte ein Rasta Bob Marley. Die Leute an der Haltestelle waren nicht weiter beeindruckt. War noch zu früh für eine Jamsession – und seine Stimme klang wie die eines Wookiees, der gerade missbraucht wurde.
Ich ging das Labyrinth geschäftiger Straßen hinunter bis zu einem kleinen schmierigen Café, das ich an diesem Ende der Stadt kannte. Sie machten super Brötchen mit Speck und Ei mit einem Berg Zwiebeln und übergossen mit brauner Soße. Wenn man dem alten Mädchen hinter der Theke gut zuredete, schnitt sie sogar das Fett von den Speckscheiben ab.
Ich bestellte mir eine deftige Portion. Ein Brötchen, ordentlich Zwiebeln. Einen Becher Kaffee, sehr süß. Und eine Schachtel Rothmans für hinterher.
Ich nahm die Sun aus dem Ständer. Wie’s aussah, nichts als Promi-Tratsch. Die Hälfte der Leute auf den Fotos kannte ich nicht mal. Früher hatte es einmal etwas bedeutet, wenn man in die Zeitung kam. Man hatte irgendwas Besonderes gemacht oder besaß ein Talent. Heute geht’s allen nur noch um Prominenz. Du vögelst einen Fußballer, holst in einer Reality-Soap einem Schwein einen runter – und auf einmal klebt die Welt an jedem deiner Atemzüge. Wohlstand und das volle Programm folgen automatisch.
Die Kellnerin kam mit meinem Brötchen. Sie stand kurz vor der Pensionierung und sah aus, als hätte sie vom Leben schon genug. Musste irgendwann in den Achtzigern für sich das Fönen entdeckt haben – ihre Frisur hätte auf den Seiten von Smash Hits absolut nicht deplaziert gewirkt. Sie sagte: »Ist alles nur ein beschissener Witz, stimmt’s?«
Ich wollte schon zustimmen, dachte, sie würde es ganz allgemein meinen, da tippte sie auf die Zeitung. Das Bild zeigte Bob Geldof, der zu einer Gruppe Politiker und – natürlich – einer Handvoll Promi-Deppen sprach. Er war mal wieder unterwegs, mehr Kohle für die Entwicklungsländer zu schnorren.
»Ich frage mich, wie viele afrikanische Babys für diesen Anzug hätten geimpft werden können«, meinte die Kellnerin.
Ich nickte und versuchte interessiert zu wirken.
Sie schäumte weiter. »Leute wie er sind nicht auf unser beschissenes Gesundheitswesen angewiesen oder müssen mit einem Almosen von Rente zurechtkommen.«
Ich fühlte mich wie in den Fond eines Taxis gesperrt, wo ich mir den bigotten Schwachsinn des Fahrers anhören musste. Ich starrte auf mein Brötchen. Mein Gott, war ich hungrig.
»Es ist eine Schande.« Dann fügte sie hinzu: »Bono – das ist noch so einer. Wenn es denen so viel bedeutet, die Welt zu retten, warum verschenken sie dann nicht ihr ganzes Geld und kommen hierher und leben wie wir anderen auch!«
»Wäre für die wie eine eiskalte Dusche«, meinte ich.
Sie lächelte mich an. Ich hatte offensichtlich genug getan, um sie bei Laune zu halten.
»Du solltest besser essen, Schätzchen, sonst wird dein Brötchen noch kalt.«
Als sie sich abwandte, strich ich die Zeitung glatt, wischte den Boden meiner Tasse an der Titelseite ab. Ich nahm mein Brötchen, wollte hineinbeißen, sah die Speckscheiben kalt und grau dazwischen, und hereinspaziert kam unser Freund und Helfer, die Polizei.
Ein Auftritt wie aufs Stichwort. »Morgen, Officer«, sagte ich.
»Dury. Du meine Fresse.« Die Augen von Fitz the Crime strahlten wie polierte Radkappen.
»Darf ich Ihnen eine Kanne wie gewöhnlich spendieren?«, fragte ich.
Er nickte, setzte sich, sagte: »Hinter was sind Sie her?«
»Oh, ich freue mich ebenfalls sehr, Sie zu sehen, Fitz.«
Er beugte sich vor. »Verarsch mich nicht, Dury.«
Ich stand auf und rief: »Eine Kanne von deinem Besten, Liebling.«
Ich spürte, wie mich eine Hand wieder auf meinen Platz herunterzog. Ich wusste, dass sich Fitz Sorgen machte, aber das war überhaupt
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