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Geopfert - [Gus Dury ; 1]

Geopfert - [Gus Dury ; 1]

Titel: Geopfert - [Gus Dury ; 1] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Rund um die Uhr, sieben Tage in der Woche gibt hier das Pfeifen der Dudelsäcke den Soundtrack ab; natürlich ausschließlich für die Touristen.
    Ich blieb auf der rechten Seite der Straße. Es wimmelte nur so vor Schickis. Und alle sahen gleich aus. Ich kann Menschen in den Fünfzigern, die sich wie Breakdancer anziehen, einfach nicht verstehen. Egal, wie angesagt es auch sein mag, ich werde niemals eine Herrenhandtasche mit mir herumschleppen und auch niemals Schuhe tragen, die sich kringeln wie Ali Babas Pantoffeln. Und an dem Tag, an dem man mich in Kapuzenshirt und mit Kappa-Mütze sieht, werde ich mir eine Kanone an den Kopf halten.
    Dennoch beschäftigte mich mein Aussehen. Nach ein paar Gläschen machte es mir nicht mehr ganz so viel aus, aber es gab ein paar Leute, bei denen ich Eindruck schinden musste. Ich musterte mich in Currys Schaufenster. Sorry, Currys.digital. Klar, der Punkt macht den entscheidenden Unterschied für die zahlende Kundschaft. Mac hatte super Arbeit geleistet, was meine Frisur betraf, ordentlich kurz, oben einen Tick länger. Ich sah einigermaßen passabel aus.
    Während ich mich noch anstarrte, erregte etwas in dem Geschäft meine Aufmerksamkeit. Auf den Bildschirmen an der Wand mit den TV-Geräten erschien ein Gesicht, das ich wiedererkannte. Ich ging hinein, um auch den Ton zu hören. Und wie ich den Mann kannte. Der ehrenwerte Alisdair Cardownie, Mitglied des schottischen Parlaments.
    Er sprach davon, die Flut illegaler Einwanderer eindämmen zu wollen. Das brachte mich zum Lachen. Musste daran denken, wie er kaum in der Lage gewesen war, die Flut aus seiner blutenden Nase einzudämmen.
    Unter seinem Namen wurde ein Titel eingeblendet: Minister für Einwanderung. Dann hatte er also Karriere gemacht und sich einen Spitzenjob geangelt. Mich durchfuhr ein Schauder. Seit unserer letzten Begegnung war ich auf der Karriereleiter in die entgegengesetzte Richtung unterwegs.
    Eine Stimme aus dem Nichts mit einem ausgeprägten Newcastle-Akzent drang zu mir durch. »Suchen Sie einen Flachbildfernseher, Sir?«
    Ich drehte mich um und erblickte einen pickligen Bengel. Ein äußerst unschönes Durcheinander feuerroter fetter Pickel glühte auf seiner Nase, und er hatte sich so viel Gel auf den Kopf geklatscht, dass er aussah wie nach einer Wasserbombenattacke.
    »Was?«
    »Der Sharp ist unser Verkaufsschlager. Ist er für Ihr Wohnzimmer?«
    Er begann an ein paar Knöpfen herumzufummeln, die an der Seite der Glotze verborgen waren. »Tolles Bild. Kann Ihnen den Sharp wirklich empfehlen. Habe selbst so einen. Gleich gekauft, als sie auf den Markt kamen und kein Mensch diese sagenhafte Bildqualität fassen konnte, es ist so, na, ich sag mal, scharf im wahrsten Sinne des Wortes. Soll ich Ihnen einen aus dem Lager holen?«
    »Langsam, jetzt erst mal tief Luft holen … Mark.« Ich schnipste gegen sein Namensschild. »Kann man sich in diesem Laden nicht mal in Ruhe umsehen?«
    Er lächelte. Zeigte eine Reihe grauer Zähne, die eine gründliche Sanierung und Neuverfugung dringend nötig hatten. Ich merkte, dass mein Akzent ihn ratlos machte.
    In dieser Stadt gibt es zwei Sorten von Verkäufern: die teuflische einheimische Variante und die leicht irre Sorte wie der importierte Mark hier. Man muss wissen, das Einschleim-Gen – ein absolutes Muss im Verkauf – fehlt den Schotten völlig. Das Adjektiv liebenswürdig kennt man hier gar nicht. Vielleicht ist das der Grund, warum die Typen mit dem Namensschild meistens aus dem Süden kommen.
    Der Youngster musterte mich von oben bis unten und versuchte mich anders einzuschleimen. »Sie werden in dieser Klasse nichts Besseres finden als den Sharp, Sir. Falls Sie aber noch mehr Qualität wollen, da haben wir – Sir, Sir!«
    Ich ließ ihn einfach stehen.
    Verkäufer wie dieser Mark sind wie Hundescheiße unter dem Schuh – man wird sie nicht los. Auf dem Absatz kehrtzumachen ist die einzige Sprache, die sie verstehen. Früher reichte es, wenn man »Ich möchte mich nur umschauen« sagte. Heute ist es, als würden sie vom japanischen Militär gedrillt. Eine ganze Generation auf einer Mission. Und sie machen keine Gefangenen. Wie meine liebe alte Mutter mit diesen Typen klarkommt, werde ich wohl nie erfahren. Sie besitzt die Engelsgeduld eines Hiob, und bei Gott, die hatte sie bei meiner Familie auch dringend nötig. Eigenschaften wie Geduld und Manieren gelten heutzutage als Schwäche, die man sich nicht mehr leisten kann. Irgendeine Nervensäge wird einem

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