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Geopfert - [Gus Dury ; 1]

Geopfert - [Gus Dury ; 1]

Titel: Geopfert - [Gus Dury ; 1] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Kunstakademie.«
    Es klang wie das Richtige für Amy, da konnte sie ihre überschüssige Energie loswerden. »Kunst, wow! … Du wirkst jetzt so zielstrebig.«
    Ein Lachen. »Die Zeiten haben sich geändert, was?«
    »Nein, ich wollte nicht … ich wollte nichts von dir.«
    Sie streckte eine Hand aus, berührte meinen Arm. »Gus, das weiß ich doch. War ja nur Spaß.«
    »Ja. Okay.«
    »Und? Wie sieht’s jetzt aus mit einem Kaffee?«
    Ich zögerte, dann dachte ich, ›Warum nicht?‹ Viel mehr passierte in meinem Leben ohnehin nicht. »Okay. Super.«
    Sie kramte in einer riesigen Tasche, brachte schließlich etwas zum Vorschein, was wie ein recht kompliziertes Telefon aussah, und sagte: »Kann ich dich anbeamen?«
    »Wie bitte?«
    »Hast du Bluetooth?«
    »Mein Gott, nein! Ich hab einen Kuli.«
    Sie krempelte ihren Ärmel hoch. »Dann schreib deine Nummer da drauf.«
    Während ich schrieb, fühlte ich mich plötzlich beobachtet. Ich schüttelte das Gefühl ab, wahrscheinlich bildete ich mir nur etwas ein, doch als ich den Kopf hob, fing ich den Blick eines Mannes auf.
    Er war klein, untersetzt, ein stämmiger Kerl mit Dreitagebart. Als ich ihn direkt ansah, zog er eine Tageszeitung aus der Gesäßtasche und begann zu lesen, wobei er sich – für meinen Geschmack viel zu auffällig unauffällig – an einen Laternenpfahl lehnte.
    »Ein Freund von dir?«, fragte ich Amy.
    »Nein. Hab ich noch nie gesehen. So gegen fünf, ist das okay für dich?«
    »Bin gut für fünf«, sagte ich, die Redeweise aus der Sitcom Friends imitierend. Dann bekam ich einen roten Kopf und sagte: »Äh, fünf Uhr ist schon okay.«
    »Super. Sicherheitshalber werde ich dich vorher ansimsen. Wollen wir uns da treffen?« Sie deutete auf einen Starbucks, einen von geschätzten fünfzig, die im Lauf des letzten Jahres in Edinburgh aus dem Boden geschossen waren.
    »Mein Gott, muss das sein?«
    »Die machen einen guten Kaffee. Du hast doch wohl nicht auf deine alten Tage einen Gesundheitsfimmel gekriegt, oder?«
    »Das wär’s noch – also dann im Starbucks.«
    Sie beugte sich vor und drückte mir ein Küsschen auf die Wange. »Wirklich schön, dich wiederzusehen, Gus. Ich freu mich auf die Unterhaltung – du weißt schon, reinen Tisch machen und so.« Sie drehte sich schnell um und schenkte mir im Gehen ein kleinmädchenhaftes Winken.
    Als ich mich umsah, war der Mann mit der Zeitung verschwunden.

A n der Ampel überquerte ich die Straße und sprang in einen 11er-Bus Richtung Leith. Der Busfahrer mit seiner Pomadentolle und der auf den Hals tätowierten Schwalbe sah aus wie ein alter Teddy-Boy in einer Zeitschleife. Sein Uhrenarmband war nietenbesetzt wie das Halsband eines Pitbulls. Obwohl es sich anfühlte wie vier Grad unter null, war er in Hemdsärmeln und schwitzte wie ein Schwein auf Speed. Zwei große violette Pfützen unter den Achseln und auf seinem Rücken ein brauner Streifen, der aussah, als wäre er frisch aus seinem Entenarsch geschissen. Der öffentliche Nahverkehr – kein Wunder, dass die Straßen mit Autos verstopft sind.
    Auf der hintersten Sitzbank veranstaltete eine Gruppe Halbstarker einen Mordslärm, ihr Gefluche hätte einem Bauarbeiter die Schamesröte ins Gesicht getrieben. Ich sah sie scharf an. Wenn in meiner Jugend ein Erwachsener in einem Bus einen so anstarrte, wäre einem der Arsch auf Grundeis gegangen. Für diese Jungs hier war das nur noch mehr Ansporn.
    Ein Hagel kleiner Kügelchen aus Zeitungspapier ging in meine Richtung nieder. Ich drehte mich um und sah ein paar alte Frauen zwischen uns sitzen, die sich gar nicht hinzusehen trauten. Sie taten mir leid, die alten Frauen, aber noch mehr die Rabauken.
    Ich sah mich im Bus nach Typen um, die sich eventuell einmischen könnten. Nur so ein College-Bubi. Sehr unwahrscheinlich, dass der mich zurückhalten würde. Ich stand auf und ging zu den Witzbolden. Es wurde gekichert, dann starrten alle beim Fenster hinaus.
    Ich pflanzte meinen Fuß auf den Sitz des Anführers, ein Spargeltarzan mit einem blondierten Dachsstreifen, der seine Frisur einrahmte, sagte: »Siehst du das?«
    Aus dem Mundwinkel griente er: »Aye, das ’n Fuß – Sie haben da noch einen, so was!«
    Schallendes Gelächter von der kleinen Schar seiner Bewunderer. Ich fuhr ihnen in die Parade. Schnappte mir den Lümmel am Ohr, zwang ihn, seine Antwort noch mal zu überdenken. »Sieh’s dir mal genauer an.« Ich drückte seinen Kopf zu meinen Zehen hinunter. »Wenn ich noch eine einzige blöde

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