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Geopfert - [Gus Dury ; 1]

Geopfert - [Gus Dury ; 1]

Titel: Geopfert - [Gus Dury ; 1] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Mädchen laufen schreiend vor mir davon, kauern sich ängstlich in die Ecke.
    Plötzlich spüre ich, wie mir jemand auf die Schulter klopft. Ich drehe mich um. Es ist Milo, aber er hat sich verändert. Sein Gesicht ist zu einem blutigen Brei zerschlagen. Zwei dunkle Höhlen dort, wo seine Augen sein sollten. Als er zu sprechen beginnt, sehe ich Flammen seine Rockschöße hinaufkriechen.
    »Milo, Milo, du brennst!«, rufe ich laut.
    Ich schlage nach den Flammen, versuche sie zu ersticken. Die Hitze ist jetzt sehr heftig, meine Handflächen brennen höllisch.
    »Milo, beweg dich endlich!«
    Die Schreie der Mädchen werden schriller. Überall nur Flammen und Angst. Es ist die schlimmste Angst, die ich je erlebt habe.
    »Milo, du musst dich bewegen. Wir müssen hier raus.«
    Sogleich neigt er seinen Kopf zu mir herunter, sieht mich an. Er beginnt zu sprechen, und noch während er das tut, verschlingen die Flammen seinen Körper. Er schreit und schlägt auf seine Brust, spricht dann, doch seine Worte sind in einer Sprache, die ich nicht verstehe, mit einer Ausnahme: »Lettland.«
    Nadjas Preisgabe von Billys Plan, schnell ans große Geld zu gelangen, war völlig unerwartet gekommen. Damit hatte ich etwas in der Hand, mit dem ich Fitz ködern konnte. Aber er war ein Bulle, und somit unberechenbar. Ich musste es geschickt einfädeln. Damit es sich für ihn lohnte.
    Der Bus war überfüllt.
    Ein junger Penner reiherte in den Gang, als wir den Leith Walk hinunterfuhren. In einem Bus voller Leithers hielt sich nur eine Frau die Nase zu.
    »Raus«, donnerte der Fahrer.
    »O Mann …«, antwortete der Penner. »’s regnet wie Sau!«
    »Raus jetzt, andernfalls ruf ich die Bullen!«
    Der Fahrer stand auf, sicher hinter seiner Kunststoffscheibe, worauf der Penner seine Baseballmütze tief in die Stirn zog und den Bus verließ. Er trat gegen die Tür, als diese sich hinter ihm schloss. Dann plumpste er auf der nassen Straße auf seinen Arsch.
    Der Bus fuhr an, hielt aber mitten auf der Straße plötzlich wieder an. »Bleiben Sie bitte alle sitzen!«, sagte der Fahrer, als er die Türen öffnete, um zwei Dosen Omega White Cider auf die Straße rollen zu lassen. Den Dosen folgte das Erbrochene des Penners den Gang hinunter und dann über die Stufen.
    Ich schüttelte den Kopf. Keine Ahnung, warum, denn ich hatte das alles schon eine Million Mal gesehen. Irgendwie kam mir heute alles eine Idee unerfreulicher vor als sonst. Diese Stadt ging mir gehörig auf den Senkel.
    Ein alter Knabe beugte sich zu mir herüber. Er nahm seine Mütze ab, schlug sie gegen meinen Sitz. »Für solche wie den würde ich den Arbeitsdienst wieder einführen«, sagte er.
    Ich drehte mich zu ihm um. »Für solche wie den würde ich die Todesstrafe wieder einführen.«

I ch bestellte einen Kaffee.
    »Ein Latte oder ein Mokka oder –« Der Kellner klang wie ein Pole, einer aus der letzten Welle legaler Einwanderer. In den Kneipen hatten sie die Aussies so ziemlich eliminiert, und jetzt meldeten sie ihre Ansprüche auf die Cafés an.
    »Ganz ruhig«, unterbrach ich, »einfach nur schwarz und stark.«
    »Ein Americano?«
    Hatte ich akustische Visionen? Das hier war Leith. Die letzte Bastion des alten Edinburgh. Auf mindestens fünfhundert Meter gab es hier keine kontinentaleuropäische Piazza. Die Yuppies hatten die Frontlinien neu gezogen.
    Ich verscheuchte den Kellner mit einem Winken, sagte: »Egal.«
    Er taxierte mich im Gehen, wahrscheinlich um noch was von seiner hausgemachten Bratensoße in meinen Kaffee zu kippen.
    Fünf Minuten später kam er zurück, reichte mir einen Kassenbon auf einem kleinen Unterteller, darauf zwei weiße Schokotäfelchen. »Das macht dann zwei fünfzig, bitte.«
    Für so viel Knete erwartete ich den besten Kaffee meines Lebens. Um die Wahrheit zu sagen, das Zeug konnte einen aus den Latschen hauen. Ich gab Milch und Zucker dazu und versuchte mich darauf zu konzentrieren, warum ich immer noch hiersaß.
    Schon eine ganze Weile grübelte ich über einem Zitat von Bowie: »Es ist nicht wirklich Arbeit, es ist nur die Fähigkeit zu bezaubern.«
    Ein vernünftiger Rat. Falls ich irgendwas von Fitz bekommen sollte – alles, außer mit dem Gummiknüppel Bekanntschaft zu machen –, würde ich Scheiße fressen müssen. Wahrscheinlich war ich bei unserer letzten Begegnung zu forsch gewesen. Ich hatte ihn verärgert. Früher, vor langer Zeit, war Fitz als Heißsporn bekannt gewesen. Er war schnell mit den Fäusten, hätte ein echter Athlet

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