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Geopfert - [Gus Dury ; 1]

Geopfert - [Gus Dury ; 1]

Titel: Geopfert - [Gus Dury ; 1] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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dich zu schämen. Du fragst dich, warum du das gemacht hast. Hast Angst vor den Konsequenzen. Hast Angst, es wieder zu tun. Aber du bist aus diesem Teufelskreis der Langeweile ausgebrochen. Und wie sehr du auch den verabscheust, der dich aus dem Spiegel anglotzt, weißt du doch, dass du es wieder tun wirst, weil es nämlich wunderbar funktioniert.
    Ich ging runter in die Kneipe. Col polierte Gläser mit einem kleinen Tuch. »Heilige Muttergottes, was ist denn mit dir passiert?«
    Ich winkte ab, sagte nur: »Ein Pint. Was zum Nachspülen.«
    Der alte Knabe mit der Säufernase stand an seinem Stammplatz, stank nach Pisse und kam zu mir. »Gehts ’ir so, Kamerad?«
    »Bist du immer noch hier? Gehörst hier schon langsam zum festen Inventar.«
    »Besser als ein Arschloch.«
    Darauf hatte ich keinen Kommentar.
    Col stellte meine Drinks vor mich. »Aufs Haus.«
    »Danke.«
    Ich trank mit großen Zügen. Kippte den harten Stoff hintennach.
    »Mann, das nenn ich mal einen Durst«, meinte der alte Sack.
    Mir war nicht nach Unterhaltung, also sagte ich: »Ist das Pisse, was ich hier rieche?«
    Er kapierte den Wink mit dem Zaunpfahl. »Wenn du mal mein Alter erreichst, kannste schütteln, so viel du willst, der letzte Tropfen landet doch immer in der Hose. Vergiss das nicht.«
    Perplex starrte ich ihm nach, wie er ging und sich zu jemand anderem an den Tisch setzte.
    »Was passiert nur mit deiner Kundschaft?«, fragte ich Col.
    »Er ist eine verlorene Seele.«
    »Sind wir das nicht alle?«
    Col warf sich das Handtuch über die Schulter. »Du siehst aus, als hättest du einen Unfall gehabt.«
    Mein Mund war zu beschäftigt für eine Antwort. Ich deutete auf das leere Schnapsglas, während ich das Bierglas leerte.
    »Willst du noch einen?«, fragte Col.
    »Was glaubst du?«
    Er schenkte einen Famous Grouse aus, ließ die Flasche auf der Theke stehen.
    »Hast du in letzter Zeit was gegessen?«
    »Ich war ein bisschen … beschäftigt.«
    »Falls dieser Fall zu viel für –«
    Ich knallte das Glas hin. »Nein. Col, alles ist bestens.«
    »Das ist es ganz offensichtlich nicht, Gus. Du bist zusammengeschlagen worden, übel zusammengeschlagen. Was ist los?«
    Ich füllte mein Glas selbst nach, bis zum Rand.
    »Komm, setzen wir uns. Ich muss dir was sagen.«
    »Oh«, sagte er.
    »Ja, ich, äh … na ja, könnte dir nicht gefallen, was ich dir zu sagen habe.«
    Col rief seine Teilzeitkraft, sagte ihr, sie solle sich um die Theke kümmern. Sie blies eine fette Kaugummiblase, schwankte auf ihren hohen Absätzen, als sie herüberkam.
    »Ich denke, wir gehen ins Hinterzimmer.«
    »Wird wohl das Beste sein.«

»D u solltest mal jemanden nach den Zähnen da sehen lassen, Gus.«
    »Welche Zähne? Die sind alle ausgeschlagen.«
    »Hast du einen Zahnarzt?«
    Himmel, ein Zahnarzt. Die Zeit, als ich noch einen festen Zahnarzt, einen Hausarzt oder eine Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio hatte, schien ein Leben weit hinter mir zu liegen.
    »Debs hat sich immer um solche Sachen gekümmert. Nein, ich habe keinen Zahnarzt.«
    »Ich gebe dir die Nummer von meinem. Der ist gut. Ein Deutscher. Er ist sogar sehr gut.«
    Ich hielt mich an den Grouse, die Pulle mit dem berühmten Moorhuhn. Fühlte sich an, als würde der Whisky meine Seele wärmen. Hatte völlig vergessen, wie viel Vergnügen mir ein tieffliegendes Vögelchen bereitete.
    »Also, du hast gesagt, du hättest mir was zu erzählen.«
    Ich stellte das Glas ab. »Das hab ich, ja.«
    Col saß ruhig da, faltete die Hände. Das war mir bislang noch nie aufgefallen: Für so einen liebenswürdigen und einfühlsamen Burschen hatte er einfach riesige Hände.
    »Es ist alles ein bisschen … komplizierter geworden.«
    »Hm-mhmmh.«
    »Anscheinend steckte Billy bis zum Hals in mehr drin, als ich zunächst annahm.«
    »Ich wusste es.«
    »Sorry?«
    »Wie dieser Junge das seiner armen Mutter hat antun können, werde ich wohl nie erfahren.«
    Ich hatte Col noch nicht mal erzählt, was ich wusste, und doch legte er schon los.
    »Aber, Col, wir wissen doch noch gar nicht, wie tief Billy in alles verwickelt war.«
    »Gus, ich habe ihn großgezogen. Ich kenne meinen Jungen.«
    Ich wartete darauf, dass er weiterredete, aber er schien fertig zu sein. Ich spulte die Geschichte ab, soweit ich sie kannte. Erwähnte alles, was ich herausgefunden hatte. Ich hatte den Eindruck, als bekäme Col glasige Augen, und ich fragte mich, ob er wirklich die ganze Wahrheit hinter Billys Tod wissen wollte.
    »Col, ist alles in

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