Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geopfert - [Gus Dury ; 1]

Geopfert - [Gus Dury ; 1]

Titel: Geopfert - [Gus Dury ; 1] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
Vom Netzwerk:
Ordnung?«
    »Ja, alles bestens. Warum fragst du?«
    »Du wirkst auf mich ein bisschen abwesend, das ist alles.«
    Er schüttelte sich und nahm die Hände auseinander. »Tut mir leid. Was du beim letzten Mal gesagt hast, als wir miteinander gesprochen haben, also – du weißt schon … das hat mich ein bisschen mitgenommen, schätze ich.«
    Ich nahm alle Emotionen aus meiner Stimme. »Ich hab’s dir gesagt, ganz am Anfang, Col, man schnüffelt nicht herum, ohne dabei zwangsläufig ein paar Leichen auszugraben.«
    »Ich weiß. Ich weiß. Es ist aber trotzdem schwer zu glauben. Er war mein Sohn. Hören zu müssen, dass er mit Leuten wie denen zu tun hatte – das trifft einen hier.« Col klopfte auf seine Brust. »Ich will das einfach geklärt haben, um seiner Mutter willen. Nichts anderes zählt. Sie muss wissen, wie es geendet hat, sie muss verstehen, warum Billy so gestorben ist.«
    Ich spürte eine kältere Seite an Col, die ich zuvor nicht gekannt hatte. Das Ganze hatte ihn hart getroffen. Ich hoffte, er würde robust genug sein, die Sache bis zum Ende durchzustehen. Ich wusste, es würde nichts Gutes mehr dabei herauskommen; es gab kein Ende wie im Märchen.
    »Es wird nur noch schlimmer werden. Bist du dem gewachsen? Das ist keine schöne Geschichte.«
    »O ja.« Er setzte sich ein wenig aufrechter hin und brachte ein gezwungenes Lächeln zustande. »Ja, mach dir mal um mich keine Sorgen, Gus. Nichts davon ist für mich eine wirkliche Überraschung.«
    »Nichts davon?«
    »Eine Redewendung. Was ich damit sagen will, Billy konnte gelegentlich … Scherereien machen. Immer schon. Als er sich mit dieser Nadja zusammentat, hab ich sofort gesehen, dass Ärger ins Haus stand. Es war nur eine Frage der Zeit. Ich habe seinen Absturz verfolgt, weißt du.«
    »Aber wie du selbst sagst, er ist dein Sohn, es muss doch verdammt wehtun, so was zu hören.«
    »War mein Sohn.« Col stand auf. Seine Stimmung war wieder umgeschlagen, er sah mitgenommen aus. »Übrigens, ich habe die Fotos von deinem Vater alle abgehängt.«
    Die Botschaft kam laut und deutlich bei mir an. Ich hatte eine Linie überschritten. Okay, kapiert.
    Ich stand auf und sah ihn an. »Ich denke, ich gehe dann mal eine rauchen.«
    »Okay.«
    »Hör zu, es tut mir leid, wenn ich, du weißt schon, irgendwas gesagt habe, was … Ich weiß, das alles ist ziemlich schlimm für dich.«
    Er sackte in seinen Stuhl zurück, ich sah, wie er zitterte. »O Gott … Was habe ich getan?«
    »Col«, redete ich ihm gut zu, »komm schon, du bist doch aus hartem Holz geschnitzt.«
    »Gott, es tut mir so leid …«
    »Komm, trink einen Schluck.« Ich versuchte ihn zu einem Schluck Whisky zu überreden.
    »Nein, nein – mir geht’s gut, mir geht’s wirklich gut.«
    »Bist du sicher?«
    »Ja.« Er zitterte ein wenig, dann schien er wieder völlig ruhig zu werden. »Gus, ich habe kein Recht, dich diesem Druck auszusetzen.«
    »Ich habe breite Schultern, die stecken so was locker weg.«
    »Ich habe dich in eine schreckliche Gefahr gebracht. Billys Sünden gehen dich überhaupt nichts an. Ich hätte dich niemals bitten dürfen, dich darum zu kümmern.«
    Der Bursche sah völlig fertig aus. Er war mehrere Male in die Hölle und wieder zurück gegangen. Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Ich helfe wirklich sehr gern.«
    »Nein, Gus … Ich habe so ein schreckliches Gefühl, dass dies alles ein schlimmes Ende nehmen wird. Ein ausgesprochen böses Ende.«
    Ich drückte seine Schulter. »Wie schlimm kann’s denn schon werden?«, sagte ich.

I rgendwer hat mal gesagt, im Leben komme es darauf an, loslassen zu können. Ich wünschte, ich könnte das eine oder andere endlich hinter mir lassen.
    Es ist 1982, und ich bin vierzehn. Mein Vater ist in den Weltmeisterschaftskader berufen worden. Die Evening News haben ihn auf der ersten und letzten Seite gebracht. Meine Mutter führt ein Einklebebuch und zeichnet Scotsport auf. Er ist ein einfacher Junge aus Leith, der es zu was gebracht hat, jetzt ist es offiziell.
    Der Verkehr auf der Straße kommt zum Erliegen, Männer beugen sich aus Autofenstern, um ihm die Hand zu schütteln. Ich stehe da und schaue zu, wie mein Vater von Menschen umringt wird. Sie drängen sich um ihn, applaudieren und johlen, verlangen brüllend ein paar Worte vom großen Mann persönlich.
    Ich bekomme meine eigene kleine Kostprobe des Ruhms, mit dem ich klarkommen muss. Das Pokalendspiel der Schools League. Ich bin der Libero – genau wie mein Vater –,

Weitere Kostenlose Bücher