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Geopfert - [Gus Dury ; 1]

Geopfert - [Gus Dury ; 1]

Titel: Geopfert - [Gus Dury ; 1] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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dann noch von einem Nicken begleitet wird, hast du definitiv die Grenze überschritten und solltest damit rechnen, das auch gesagt zu bekommen.
    Die andere Sache ist, dass sie alle sagen, was sie denken. Wenn sie einmal anfangen, dir klar und deutlich ihre Meinung zu sagen, könntest du mehr über dich erfahren, als du jemals wirklich wissen wolltest.
    Meine Vergangenheit ist übersät mit Tiraden schottischer Frauen, die ich über mich ergehen lassen musste. Meistens in einem Nachtclub nach dem letzten Tanz. Zu jedem späteren Zeitpunkt, sagen wir am Taxistand, reden wir von entfesselten Furien. Garantiert keine Erfahrung, die man öfter machen sollte.
    Ich kehrte zur Theke zurück.
    »Noch mal dasselbe.«
    Der Barkeeper dachte kurz nach. »Sofort.«
    Aus irgendeinem Grund begann diese ganze Introspektion mein Gewissen anzusprechen. Gedanken an Debs und die Lebensgefahr, in der ich schwebte, ließen mich nach meinem Telefon greifen. Das ist nie eine gute Idee, wenn man einen Drink zu viel intus hat.
    Debs’ Nummer schaltete schnurstracks auf ihre Mailbox.
    »Aaach, Scheiße!«
    Ich spielte damit aufzulegen, dann kam das Piep.
    »Hi, Debs … Ich wieder. Hör zu, ich wollte nur sagen, ’tschuldigung, du weißt schon, ich bin in letzter Zeit ein bisschen genervt gewesen.«
    Ich mühte mich ab, die Nachricht aufzublasen.
    »Ach, und ich, äh, hab deinen Brief erhalten … Aber es ist mir ein kleines Malheur damit passiert. War es was Wichtiges? Auch das tut mir leid, ’tschuldigung. Falls es wichtig ist, könntest du vielleicht bitte deinen Anwalt veranlassen, es mir noch mal zu schicken? Oh, und ich werde in Hods Wohnung in Portobello sein, seine Adresse und Telefonnummer müssten noch im Adressbuch stehen. Bye, Debs, und nochmals ’tschuldigung.«
    Ich fühlte mich nicht gut dabei, sie wegen des Briefs anzulügen, aber was sollte ich denn tun? Ich sagte mir, es war ja nur eine Notlüge.
    Mein Gott, Gus, du hast schon Schlimmeres erzählt.
    Würde der Anruf auf irgendeine Weise bei ihr ankommen? Ich bezweifelte es.

I ch legte mein Telefon auf die Theke. Keine Sekunde später begann es zu klingeln.
    Hob ab, sagte: »Debs?«
    »Äh, nein, es ist nicht Deborah, mein Junge.«
    War meine Mutter. Sie hatte mich noch nie auf meinem Handy angerufen, also war ich leicht geschockt. »Was ist los, Mum?«
    Ich hörte ihr Schluchzen am anderen Ende der Leitung.
    »Mum, was ist denn?«
    Das Schluchzen wich ungehemmten Tränen, dann hörte ich, wie ihr der Hörer aus der Hand genommen wurde.
    »Hallo, hallo«, sagte ich.
    »Hi, Gus, Mum ist in die Küche, um sich zu setzen.« Es war meine Schwester Catherine.
    »Was ist denn los? Warum ruft sie an?«
    Eine Pause, und dann: »Es geht um … Dad.«
    Ich spürte, wie sich meine Lungen mit einem lauten Seufzen leerten. »Ach ja? Was ist es diesmal? Hat er sich wieder an ihr die Hand gebrochen?«
    »Gus … es geht ihm nicht gut.«
    »Ja, hab ich gehört.«
    »Er ist krank, Gus.«
    »Oh, das weiß ich. Du hättest hören sollen, wie er sie angebrüllt hat, als ich vor einiger Zeit da war … wirklich richtig, richtig krank ist er.«
    Cathys Tonfall änderte sich. »Nein, Angus, er … stirbt.«
    Ich suchte nach Mitgefühl, konnte aber nichts dergleichen in mir finden.
    »Hast du mich gehört?«
    »Ich hab dich gehört.«
    »Und?«
    »Und was? Ich vollbringe keine Wunder, weißt du.«
    Ich hörte, wie sie die Zähne aufeinanderbiss. »Der Arzt sagt, er wird die Nacht nicht überleben. Mum – deine Mutter, erinnerst du dich noch an sie? – dachte, du möchtest ihn vielleicht noch mal sehen.«
    »Ein letztes Mal, ja?«
    »Ja, bevor er geht.«
    Sie ließ es klingen, als bereite er sich gerade auf einen Urlaub vor. Als würde er zurückkommen, sonnengebräunt und nach einem anständigen Pint und Pommes mit brauner Soße lechzend. Ich konnte sie nicht ernst nehmen. Ich hatte ihn nun schon so lang aus meinem Leben ausgesperrt, dass die Nachricht, er werde jetzt endlich sterben, keinerlei Wirkung auf mich hatte.
    »Oh, aber wohin geht er denn?«, fragte ich.
    Eine lange Pause folgte, ich dachte schon, sie hätte aufgelegt, doch sie hatte mir nur Zeit gegeben, darüber nachzudenken, was ich gesagt hatte. Familienangehörige machen so was, sie wissen, welche Knöpfchen sie drücken müssen.
    Ich sagte: »Wer ist noch bei dir?«
    »Alle – die ganze Familie. Hör zu, ich weiß ja, dass dir der Gedanke wahrscheinlich nicht gefällt, aber es würde Mum sehr viel bedeuten.«
    »Bist du deshalb

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