Geopfert - [Gus Dury ; 1]
meine Glock. Steckte sie mir unter den Gürtel.
»So, steh auf jetzt«, sagte ich.
»Warum? Wohin gehen wir?«
»In Billys Bude. Falls er einen Hinweis darauf hinterlassen hat, was er vorhatte, dann werden wir den auch finden.«
»Aber Bennys Leute sind doch längst dort gewesen.«
»Ich bin nicht Bennys Leute.«
B illy hatte ein Yuppie-Apartment unten am Wasser besessen. Ich hatte mal einen Artikel von Irvine Welsh gelesen, in dem er fragte, was Yuppies am Wasser fanden. Darauf hatte ich auch nie eine Antwort gewusst. Das Wasser hier unten, mit Blick auf ein Meer, schwarz bis zum Horizont, ist alles andere als beruhigend. Es ist eben nicht die Byron Bay in Australien.
Wer immer sich den Spruch »Es könnte schlimmer sein« ausgedacht hat, musste dabei ganz klar die schottische Küste im Kopf gehabt haben. Es gibt da im Norden eine Stelle namens Cape Wrath – Kap des Zorns. Das sagt ja wohl schon alles. Bei so einem Namen muss man die Bilder gar nicht mehr sehen. Man kann mit Sicherheit sagen, dass es von dort keine Urlaubsprospekte gibt.
Das Vermögen der Familie von Robert Louis Stevenson basierte auf dem Bau von Leuchttürmen, die vor der schroffen schottischen Küste warnen sollten, und er war klug genug, nach Samoa abzuhauen. Als Teenager auf einer Reise in den Norden hatte er den Küstenort Wick als »eine der schäbigsten Städte des Menschen« beschrieben, »gelegen an der eindeutig kargsten Bucht, die Gott erschaffen hat«.
Als ich aus Billys deckenhohen Fenstern schaute, gelang es mir nicht, auch nur ein lobendes Wort über den Ausblick zu finden. »Was hast du gedacht, Billy?«
»Was? Was hast du gesagt?«
»Nichts. Hab nur die Aussicht bewundert.«
Nadja sah mich an, als hätte ich einen Schlaganfall erlitten.
»Ist das dein Ernst? Das sieht aus wie das Ende der Welt.«
Was soll man darauf antworten? Ich sagte nichts.
»Kannst du dich bitte beeilen«, sagte Nadja. »Mir gefällt es hier nicht.«
»Warum? Unangenehme Erinnerungen?«
»Mir hat’s hier noch nie gefallen.«
Sie stand mit verschränkten Armen mitten im Raum. Ihre Blicke zuckten von mir zur Tür und wieder zurück. Ihr schien kalt zu sein. Ich rechnete damit, sie zittern zu sehen, doch dann dämmerte es mir – es war eine tiefere Kälte, eine tiefsitzende innere Kälte. Sie würde diese Kälte mit sich nehmen, wohin auch immer sie ging.
Ich hätte mir ein paar Tränen erwartet, wenn sie hierher zurückkehrte. Zumindest irgendeine Gefühlsregung. Dass sie vielleicht eines der Fotos in die Hand nahm, die hier überall herumlagen. Bilder von ihr und Billy in glücklicheren Tagen. Doch der Besuch schien sie in dieser Hinsicht gar nicht zu berühren. Außer, dass sie sich hier offenbar ausgesprochen unwohl fühlte.
Ich fragte: »Warum?«
»Warum was?«
»Warum hat es dir hier nie gefallen?«
Sie schnaubte laut, entfernte sich von mir, setzte sich auf einen Barhocker.
»Kannst du dir bitte holen, weswegen du hergekommen bist? Ich will gehen.«
Zalinskas’ Schläger hatten die Wohnung bereits auf den Kopf gestellt, aber ich vermutete, dass seit mindestens einer Woche niemand mehr hier gewesen war. Eine silberne Staubschicht bedeckte den Esstisch, und ein Stapel ungeöffneter Post lag auf der Fußmatte.
»Die Putzfrau hat Urlaub?«, alberte ich.
Sah mehrere Schubladen, die auf den Boden ausgekippt worden waren, Spielkarten, TV Times und überall Coupons der Supermarktkette Sainsbury’s.
»Hat Billy Coupons ausgeschnitten?«, fragte ich.
»Oh … dieser Mann!«
Der DVD-Player lag in tausend Einzelteilen auf dem Boden. Zwei Schuhe Größe vierundvierzig, munter auf dem Gehäuse herumtrampelnd, schaffen das. Mehrere leere Regalbretter, die nicht angerührt worden waren, verwirrten mich. »Warum sind diese Regale hier leer?«
Nadja zuckte die Achseln.
Ich stieg über die Reste des DVD-Players, wühlte auf dem Boden herum, fand eine leere CD-Hülle und einen weiteren leeren CD-Ständer.
»Die haben sämtliche Disks mitgenommen.«
»Ja, na und? Können wir jetzt gehen?«
Ich stapfte durch den Schutt zur Küche und legte eine Hand auf Nadjas Schenkel. »Ich werde mich schon bald ausschließlich um dich kümmern. Warum machst du dir nicht einen Kaffee?«
Sie stand auf, warf die Hände in die Höhe. »Ich werde draußen warten.«
»Nein, ich denke nicht, dass du das tun wirst.« Ich senkte den Blick, und sie kehrte an ihren Platz zurück.
»Kannst du dich beeilen – bitte.«
»Alles zu seiner Zeit.« Ich reichte ihr
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