Georg Büchner - Gesammelte Werke: Dantons Tod, Lenz, Leonce und Lena, Woyzeck, Lucretia Borgia, Maria Tudor (Gesammelte Werke bei Null Papier) (German Edition)
und verbarg es; ich tat, als glaubte ich diesem Menschen, wenn er von seinem Adel sprach. Denn so sind wir ein Mal, wir Weiber. O mein Gott! ich wollte, es wären Weiber hier, es wäre eine Lehre für Alle dieser Schurke! dieser Schurke! er betrügt ein Weib und verleugnet das andere! der Elende! Gewiß, du bist sehr erbärmlich!
Wie! seit ich spreche, liegt er noch nicht auf den Knieen! Auf die Knie, Fabiani! Mylords, bringt diesen Menschen mit Gewalt auf die Knie!
Fabiani : Eure Majestät!…
Königin : Dieser Elende, den ich mit Wohltaten überhäuft, dieser neapolitanische Lakai, den ich zum goldnen Ritter und freien Grafen von England gemacht habe! Ha, ich hätte mich darauf gefaßt machen sollen! Man hatte mir wohl gesagt, daß es so ausgehen würde. Aber ich bin immer so, ich bin eigensinnig, und sehe dann, daß ich Unrecht hatte. Es ist meine Schuld. Italiener, d.h. Schurke! Neapolitaner, d.h. Memme! Jedes Mal hat es meinen Vater gereut, wenn er sich eines Italieners bediente. Dieser Fabiani! Du siehst, Lady Jane, welchem Menschen du dich überlassen hast, unglückliches Kind! – Ich werde dich rächen! – O! ich hätte es zum Voraus wissen sollen, man kann in der Tasche eines Italieners nichts finden, als einen Dolch, und in der Seele eines Italieners nichts, als Verrat.
Fabiani : Madame, ich schwöre Euch…
Königin : Er wird gleich einen Meineid schwören! Er wird niederträchtig bis an’s Ende sein; er wird uns ganz erröten machen vor diesen Männern, uns schwache Weiber, die wir ihn geliebt haben! Er wird nicht ein Mal das Haupt erheben!
Fabiani : Doch Madame, ich werde es erheben. Ich bin verloren, ich sehe es wohl. Mein Tod ist beschlossen. Ihr werdet alle Mittel anwenden, den Dolch, das Gift…
Königin : faßt ihn bei den Händen und zieht ihn lebhaft auf den Vordergrund der Bühne: Das Gift, den Dolch! Was sagst du da, Italiener? Die verräterische Rache, die schmähliche Rache, die Rache von hinten, die Rache, wie in deinem Lande! Nein, Signor Fabiano, weder Dolch noch Gift. Habe ich nötig, mich zu verbergen, mich in die Gassenecken des Nachts zu drücken und mich klein zu machen, wenn ich mich räche? Nein, wahrhaftig, ich will den hellen Tag, verstehst du, Mylord? den hellen Tag, die Sonne, den freien Platz, das Beil, den Block, das Volk in den Gassen, das Volk an den Fenstern, das Volk auf den Dächern, hunderttausend Zeugen! Ich will, daß man Furcht habe, hörst du, Mylord? daß man das prächtig, furchtbar und großartig finde und daß man sage: ein Weib ist beleidigt worden, aber eine Königin rächt sich! Dieser so beneidete Günstling, dieser schöne, stolze junge Mann, den ich mit Seide und Samt bedeckte, ich will ihn gebrochen, wirr und zitternd auf den Knieen, auf einem schwarzen Tuche sehen, die Füße nackt, die Hände gebunden, unter dem Hohn des Volkes, unter den Fäusten des Henkers. Um diesen weißen Hals, um den ich eine goldne Kette hing, will ich einen Strick legen. Ich sah, wie dieser Fabiano sich auf einem Thron ausnahm; ich will sehen, wie er sich auf dem Schaffot ausnimmt!
Fabiani : Madame…
Königin : Kein Wort mehr! Ha, kein Wort mehr! Du bist wahrhaftig verloren, siehst du, du wirst das Schaffot besteigen, wie Suffolk und Northumberland. Das ist ein Fest, so gut wie ein anderes, welches ich meiner guten Stadt London gebe. Du weißt, wie sie dich haßt, meine gute Stadt. Bei Gott! es ist eine schöne Sache, wenn man sich rächen muß, Marie, Dame und Königin von England, Tochter Heinrich des Achten und Herrin von vier Meeren zu sein. Und wann du auf dem Schaffot stehst, Fabiani, kannst du nach deinem Belieben eine lange Rede an das Volk halten, wie Northumberland, oder ein langes Gebet zu Gott schicken, wie Suffolk, um die Gnade nicht zu spät kommen zu lassen. Der Himmel ist mein Zeuge, daß du ein Verräter bist und daß die Gnade nicht kommen wird. Dieser elende Schurke, der mir von Liebe sprach und diesen Morgen: Du! zu mir sagte! Mein Gott, meine Herren! Ihr scheint zu staunen, daß ich so vor Euch spreche; aber ich wiederhole es, was liegt mir daran? Zu Lord Sommerset: Mylord Herzog, Ihr seid der Befehlshaber des Turms, nehmt diesem Menschen seinen Degen ab.
Fabiani : Hier ist er; aber ich protestiere. Gesetzt auch, es sei bewiesen, daß ich ein Weib hintergangen oder verführt habe…
Die Königin : O, was liegt mir daran, ob du ein Weib verführt hast! – Kümmere ich mich denn darum? Diese Herren sind Zeugen, daß mir dies sehr gleichgültig
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