George Clooney, Tante Renate und ich (German Edition)
trällerte ich Bettina, die mir auf der Treppe entgegenkam, ins Ohr. «Stell dir vor, morgen habe ich ein Vorstellungsdate in der Bürogemeinschaft, und Mittwoch … treffe ich meinen Traummann wieder.»
Sie grinste. «Man könnte glauben, hier im Haus sei der Frühling ausgebrochen.»
Ich stutzte. «Wieso? Hast du dich etwa auch verliebt?»
«Nein, aber deine Tante hat gerade mit einem gewissen Tornado64 Kontakt aufgenommen.»
«Wie bitte?» Ich schrie fast. «Und du lässt das zu? Sie kennt den Typen doch gar nicht?! Am Ende ist es ein Psycho, so ein –»
«Jetzt lass die Kirche mal im Dorf», bremste Bettina meine Wahnvorstellungen. «Sie ist alt genug, auf sich selber aufzupassen. Abgesehen davon weiß man nie, auf was man sich bei einer Beziehung einlässt. Dafür gibt es nun mal keine Garantie. Und darf ich dich außerdem darauf hinweisen, dass du gerade ein Schweinegeld bezahlt hast, damit du einen Mann wiedersiehst, mit dem du noch keine drei Worte gewechselt hast?»
Widerwillig brummte ich so etwas wie ein «Ja».
«Na also!» Bettina sah auf die Uhr. «Aber noch was ganz anderes. Hättest du heute Abend Zeit?»
«Ja. Warum?»
«Ich habe völlig vergessen, dass ich eine Vernissage in Ebersberg ausrichten muss, und keiner meiner Mitarbeiter kann mir heute helfen. Ich hole dich gegen sieben vor der Tür ab, okay?»
Gegen fünf ließ sich Antonia genervt in meinen Lesesessel fallen. «Ich habe die Schule im Augenblick total satt», murmelte sie und blätterte in einer alten Gala, die herumlag. «Und zum Einkaufen habe ich auch keine Lust. Was hältst du davon, wenn wir heute Abend zusammen essen gehen?»
Ich erzählte ihr gerade, dass ich versprochen hatte, Bettina bei ihrem Catering-Einsatz zu helfen, als meine Tante zur Tür reinguckte.
«Kinder, ist das schön bei euch», seufzte sie selig. «Grundgütiger, nun komme ich vielleicht sogar durch ein Unglück zu meinem großen Glück! Jetzt habe ich sogar einen eigenen Briefkasten in diesem Internet … Wie nennt man das noch mal?»
«Eine Mailbox», half Antonia.
«Genau!», sagte Tante. «Wenn ich schlau bin, lass ich meine gesamte Post dort einwerfen. Was meint ihr?»
«Das geht aber nicht», sagte Antonia. «Die Mailbox ist nur für elektronische Post. Zum Beispiel für Nachrichten von diesem Herrn, dem du vorhin geschrieben hast.»
«Meinst du, er schreibt mir zurück?», fragte Renate unsicher. «Oder kann der auch so tun, als hätte er meinen Brief nie aufgemacht?»
So richtig kapiert hatte sie die virtuelle Welt noch lange nicht.
«Möglich wäre das schon», sagte Antonia. «Aber davon solltest du jetzt mal nicht ausgehen. Schließlich sucht er ja Kontakte.»
«Richtig», sagte Tante Renate. «Ich gehe gleich noch mal gucken, ob er schon geantwortet hat. Man sollte immer positiv denken!» Bei diesem Satz schaute sie vor allem mich an. «Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, Evchen.» Und schon war sie wieder in Bettinas Zimmer verschwunden.
«Arme Bettina», sagte ich. «Ob wir Tantchen je wieder von ihrem PC loseisen können?»
«Ach, ich glaube nicht, dass diese Begeisterung ewig vorhalten wird», sagte Antonia optimistisch. «Wenn das Neue nicht mehr so neu ist …»
Der Rest ihres Satzes ging unter, denn Renate kam wedelnd mit einer A4-Seite ins Zimmer gerannt. «Er hat geantwortet!», trällerte sie. «Schaut mal, meine erste elektronische Post! Ist das nicht süüüß?»
Stolz legte sie die ausgedruckte Mail auf meinen Schreibtisch.
Liebe Sehnsucht_59,
ich kann dir gar nicht sagen, wie ich mich über deine Zeilen gefreut habe.
In meiner Freizeit gehe auch ich besonders gerne spatzieren und schau mir ab und zu einen Film im Kino an. Natürlich wäre das alles viel schöner, wenn man das mit seiner Liebsten machen könnte. Und ich ernäre mich auch sehr gerne gesund und kann außerdem sehr über mich selber lachen.
Was meinst du? Wollen wir mal zusammen einen Tee trinken gehen?
Dein Tornado64
«Zwei Rechtschreibfehler in sechs Zeilen», war das Erste, was unsere Lehrerin bemerkte. «Und das mit … wie vielen Jahren?»
«Vierundsechzig», sagte meine Tante. «Kann doch mal vorkommen, wenn man aufgeregt ist, oder? Es ist schließlich viel wichtiger, dass er über sich selbst lachen kann, findet ihr nicht?»
Ich rollte mit den Augen. Hoffentlich konnte ich bald in dieser Bürogemeinschaft arbeiten. Sonst müsste man mich demnächst in die Psychiatrie einliefern.
Gegen sieben verließen Antonia und ich gleichzeitig mit
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