George, Elizabeth
angetan haben? Also, eines möchte ich jedenfalls betonen:
Bereits als ich dieses Haus zum allerersten Mal betreten habe, da gab es nicht
das geringste Anzeichen dafür, dass irgendjemand...«
Gina brach abrupt ab. Sie
schaute Meredith noch immer an, aber es war, als würde sie etwas ganz anderes
vor sich sehen.
»Was ist los?«, fragte
Meredith.
Gina senkte den Blick. Eine
Weile herrschte Stille. Draußen wieherten die Ponys, und ein paar Bachstelzen
zwitscherten aufgeregt, wie um einander vor einem Raubtier zu warnen.
»Vielleicht sollten Sie mal
mitkommen«, sagte Gina schließlich.
Als Meredith Robbie Hastings
endlich fand, stand er auf dem Parkplatz des Queen's Head in Burley. Der Ort lag an
einer Kreuzung dreier Landstraßen: ein Straßendorf mit einer uneinheitlichen
Mischung aus Fachwerk-, Holz- und Backsteinhäusern, deren Dächer ebenso
uneinheitlich entweder mit Stroh oder Schiefer gedeckt waren. Jetzt, mitten im
Sommer, wimmelte es von Fahrzeugen, darunter sechs Reisebusse, deren Passagiere
hier wahrscheinlich die einzige Gelegenheit erhielten, einen Teil des New
Forest zu erkunden, den sie ansonsten von ihren bequemen Sitzen aus in
klimatisiertem Ambiente an sich vorbeirauschen sahen. Sie würden Schnappschüsse
von den Ponys machen, die überall frei herumliefen, im Pub oder in einem der
malerischen Cafés ein teures Mittagessen zu sich nehmen und in dem einen oder
anderen Andenkenladen ein paar Souvenirs erstehen. Letztere prägten das Bild
des Dorfes. Es gab Läden jeder Art, vom Coven of Witches, das stolz damit warb, dass in
dem Haus einmal eine echte Hexe gelebt hatte, die so berühmt geworden war, dass
sie schließlich vor der nicht enden wollenden Schar Ratsuchender die Flucht
ergriff, bis zum Burley Fudge Shop und allem Möglichen dazwischen. Über dem Ganzen
thronte das Queen's
Head, das
größte Gebäude am Ort und während der Nebensaison Treffpunkt der Einheimischen,
die während der Urlaubszeit sowohl den Pub als auch Burley selbst tunlichst
mieden.
Zuerst hatte Meredith bei
Robbie zu Hause angerufen, auch wenn kaum damit zu rechnen gewesen war, dass
sie ihn um diese Tageszeit dort erreichen würde. Als Wildhüter war er für das
Wohlergehen sämtlicher frei lebenden Tiere in dem ihm zugewiesenen Gebiet verantwortlich
- dem Gebiet, das, wie sie Gina Dickens erklärt hatte, hier nur »The Hastings«
hieß -, und wahrscheinlich war er entweder in seinem Wagen oder zu Pferd
unterwegs, um sich zu vergewissern, dass die Esel, Ponys, Kühe und auch ein
paar Schafe in Ruhe gelassen wurden. Dies war die schwierigste Aufgabe für all
diejenigen, die im Forest arbeiteten, vor allem während der Sommermonate. Es
war reizvoll, Tieren zu begegnen, die sich ungehindert von Zäunen, Mauern oder
Hecken frei bewegen konnten. Doch noch reizvoller war es offenbar, sie zu
füttern. Die Leute meinten es gut, aber sie waren nun mal von Natur aus dumm.
Sie begriffen nicht, dass sie, sobald sie im Sommer ein süßes, kleines Pony
fütterten, das Tier zu der Annahme verleiteten, dass auch mitten im Winter
jemand auf dem Parkplatz des Queen's Head stehen und es füttern würde.
Offenbar war Robbie Hastings
gerade dabei, das einer Gruppe von mit Kameras bewaffneten Rentnern in Bermudashorts
und Schnürschuhen zu erklären. Robbie hatte sie um seinen Landrover versammelt,
an den ein Pferdeanhänger angekoppelt war. Anscheinend hatte er eines der
New-Forest-Ponys eingefangen, um es mitzunehmen, was ungewöhnlich war um diese
Jahreszeit. Meredith sah das Tier unruhig in dem Anhänger mit den Hufen
stampfen. Robbie zeigte auf das Pony, während er zu den Leuten sprach.
Als Meredith aus dem Auto
stieg, warf sie einen Blick auf ihren Schokoladenkuchen. Die inzwischen
vollends geschmolzene Glasur war in den Teig gesickert und hatte um den Kuchen
herum eine hässliche Pfütze gebildet. Ein paar Fliegen hatten die Leckerei
entdeckt, aber dieser süße Brei war wie eine fleischfressende Pflanze: Alles,
was darauf landete, versank augenblicklich in dem Gemisch aus Zucker und Kakao.
Tod durch Genusssucht. Der Kuchen war endgültig hinüber.
Aber das spielte längst keine
Rolle mehr. Alles war aus den Fugen geraten, und Robbie Hastings musste ins
Bild gesetzt werden. Er hatte Jemima von ihrem zehnten Lebensjahr an
großgezogen. Er war fünfundzwanzig Jahre alt gewesen, als ein Autounfall ihn
gezwungen hatte, diese Aufgabe zu übernehmen. Derselbe Autounfall hatte ihn
auch in einen Beruf katapultiert, den er nie hatte
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