Georgette Heyer
das
stammt? Wir konnten es nicht finden, obwohl wir es an allen Stellen gesucht
haben, wo es am wahrscheinlichsten zu finden wäre.»
«Da hast du es also Damerel
wiedererzählt!»
«Natürlich! Ich wußte, daß es ihm
völlig gleichgültig wäre, was Nurse von ihm sagt.»
«Ich vermute, er hat es genossen»,
sagte Venetia lächelnd. «Wann ist er denn nach Thirsk geritten?»
«Och, ganz früh! Ja, jetzt erinnerst
du mich, daß er mir eine Post an dich aufgetragen hat – so ähnlich, daß er
unbedingt nach Thirsk müsse und hoffe, du würdest es entschuldigen. Ich habe es
vergessen! Es war nicht wichtig – gerade nur den Höflichen spielen! Ich habe
ihm gesagt, das brauche er überhaupt nicht. Er sagte, er meinte, er würde um
Mittag herum wieder da sein – o ja! und daß er hoffe, du würdest bis dahin
nicht wieder weg sein. Venetia, ich bitte dich, schau auf den Tisch, ob der
Tytler dort liegt! Nurse muß ihn weggeräumt haben, als sie mir den Knöchel
verband, denn ich habe ihn gerade gelesen und ihn erst niedergelegt, als du
hereinkamst. Sie kann mir doch nicht in die Nähe kommen, ohne sich in meine
Sachen einzumischen! < Essay über die Prinzipien des Übersetzers > – ja,
das ist er – danke!»
«Wenn es dir nicht allzuviel
ausmacht, daß ich dich verlasse, werde ich einmal eine Runde durch den Garten
machen», sagte Venetia, reichte ihm das Buch und beobachtete ihn einigermaßen
amüsiert, als er die Stelle gefunden hatte, die er suchte.
«Ja, tu's!» sagte Aubrey
geistesabwesend. «Sie werden mich bald damit plagen, daß ich mittagesse, und
ich will das hier fertig lesen.»
Sie lachte und wollte ihn gerade
verlassen, als ein sanftes Klopfen an der Tür von dem Eintritt Imbers gefolgt
wurde, der Mr. Yardley meldete.
«Was?!» brachte Aubrey alles eher
als erfreut heraus.
Edward kam herein, trat vorsichtig
auf und trug seinen mißbilligendsten Ausdruck. «Na, Aubrey!» sagte er
nachdrücklich. «Ich freue mich, daß du strammer aussiehst, als ich erwartete.»
Als er Venetias Hand drückte, fügte er leiser hinzu: «Das ist doch wirklich ein
Pech! Ich wußte nichts davon, was geschehen ist, bis mir Ribble vor einer
halben Stunde davon erzählte! Ich war noch nie im Leben so entsetzt!»
«Entsetzt, weil ich gestürzt bin?»
sagte Aubrey. «Himmel, Edward, sei doch kein solcher Dummkopf!»
Edwards Ausdruck entspannte sich
nicht, ja schien noch steifer zu werden. Er hatte seinen
Gemütszustand nicht übertrieben: er war zutiefst entsetzt. Er war in
glücklicher Unkenntnis nach Undershaw geritten, und dort traf ihn die
alarmierende Neuigkeit, daß Aubrey einen schlimmen Unfall gehabt hatte, was ihn
sofort das Schlimmste befürchten ließ. Kaum hatte ihn Ribble in dieser Hinsicht
beruhigt, als er von der weiteren Neuigkeit vor den Kopf geschlagen wurde, daß
Aubrey unter Damerels Dach lag, nicht nur von Nurse, sondern auch von seiner
Schwester gepflegt. Die Unschicklichkeit eines solchen Arrangements entsetzte
ihn wirklich. Und selbst als man ihn zu verstehen gab, daß Venetia nicht in der
Priory schlief, konnte er sich nicht des Gedankens erwehren, daß jede andere
Katastrophe – vielleicht gerade nur mit Ausnahme von Aubreys Tod – harmloser
gewesen wäre als der Zufall, der Venetia Hals über Kopf in die Gesellschaft
eines Wüstlings getrieben hatte, dessen Lebensführung jahrelang ganz North
Riding skandalisiert hatte. Der Übel an ihrer Situation waren Edwards Ansicht
nach unzählige; und an erster Stelle unter ihnen stand die Wahrscheinlichkeit,
daß ein Mann wie Damerel irrtümlich die Unerfahrenheit, die sie dazu
verführte, sich so überstürzt zu benehmen, für die Verwegenheit einer geborenen
zyprischen Schönen halten und ihr eine unerträgliche Beleidigung zufügen würde.
Als vernünftiger Mann nahm Edward
nicht an, daß Damerel so verwegen, noch derart schurkisch war, daß er es
versuchen würde, ein tugendhaftes Mädchen von Stand zu verführen; aber er fürchtete
sehr, daß Venetias offenes, vertrauensvolles Benehmen, das er immer beklagt
hatte, den Lord ermutigen könnte, zu glauben, daß ihr seine Annäherungsversuche
willkommen seien, während ihn die besonderen Umstände, unter denen sie lebte,
sicherlich zu der Annahme verführen würden, daß sie keinen anderen Beschützer
als einen verkrüppelten Schuljungen besaß.
Edward sah seine Pflicht klar vor
sich. Er sah auch, daß deren Ausführung ihn mehr als wahrscheinlich in Folgen
verwickeln würde, die für einen Mann von
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