Georgette Heyer
Glaubst du so ein Märchen? Ich nicht. Nicht
einmal Conway könnte uns einen derartigen Streich spielen!»
«Das habe ich auch gedacht», gab sie
zu. «Aber das kann nicht stimmen, Herz – es muß einfach wahr sein! Ein
gräßlicher Schock, nicht? Ich weiß noch nicht, wie wir uns damit abfinden
werden, aber wir müssen gute Miene zum bösen Spiel machen.»
«Das weißt du nicht? Dann will ich
es dir sagen! Wir werden eben miteinander einen eigenen Haushalt einrichten –
genau wie du es für diesen Fall geplant hast!»
«Ja, natürlich, aber wir können das
nicht sofort machen, mein Lieber! Du mußt einsehen, wie unmöglich das wäre! Bis
Conway zurückkehrt, bin ich für Undershaw verantwortlich.»
«Und falls du es im Stich läßt,
Mytchett!» sagte er schnell. «Conway hat euch beide ermächtigt, für ihn zu
handeln. Ich erinnere mich, daß Mytchett hergekommen ist, um mit dir die
Generalvollmacht zu besprechen, bevor er die Conway zur Unterschrift
schickte!»
«Das hat er sicherlich, aber nur,
weil er wußte, daß er viel geeigneter ist als ich, sich um das investierte
Kapital zu kümmern, und natürlich um alle rechtlichen Dinge, die sich eventuell
ergeben können. Er hat damit aber nicht in Kauf genommen, daß ihm auch alle die
täglichen Angelegenheiten des Besitzes aufgehalst werden. Außerdem, Aubrey,
können wir Undershaw nicht im selben Augenblick verlassen, in dem es Conways
Frau betritt! Das wäre höchst unschicklich, und ebenso unfreundlich.»
«Vielleicht ebenso unschicklich und
unfreundlich, wie sich Conway verhalten hat, als er sie uns ohne ein Wort der
Verständigung aufgedrängt hat?»
«Nun, ich glaube, da ist nicht sie
schuld daran. Ja, ich bin sogar überzeugt davon. Das arme Geschöpf, sie ist so
gedemütigt, daß sie kaum mehr als zu flüstern wagt! Sie tut mir sehr leid. Und
ich finde sie nicht im geringsten unangenehm, mein Herz – sie scheint ein
sanftes, schüchternes Mädchen zu sein, und ich bin überzeugt, wir werden sie
sehr bald sehr gern haben.»
«Nein wirklich? Und was ihre Mutter
betrifft, vermute ich, werden wir geradezu für sie schwärmen!»
Sie lachte. «Also ich bestimmt
nicht! Ein abscheuliches Frauenzimmer – sie hat es bereits zustande gebracht,
daß die Dienerschaft die Haare aufstellt, und ich auch – ein bißchen! Aber ich
habe nicht vor, ihr anders als höflich zu kommen, und ich bitte dich, es genauso
zu halten!»
Er schaute sie aus schmalen Augen
an, sagte aber nichts. Das Höchste, was sie ihm entringen konnte, war das
Versprechen, daß er Mrs. Scorrier nichts Unhöfliches sagen würde, außer wenn
sie ihn dazu herausfordern sollte, und damit mußte sie sich zufriedenzugeben
versuchen. Aber da das, was Aubrey als Herausforderung ansah, zu einem hohen
Grad von seiner jeweiligen Stimmung abhing, hegte Venetia keine großen
Erwartungen. So nahm sie ihn denn nur mit ziemlich böser Ahnung in den Salon
mit, um ihn offiziell vorzustellen.
Sie trafen die beiden Damen dabei
an, den Tee und die Makronen zu diskutieren. Mrs. Scorrier hieß Venetia mit
einem gnädigen Lächeln im Zimmer willkommen und sagte: «Ein so deliziöser
Tee, liebe Miss Lanyon! Ich muß die Mamsell wirklich fragen, woher sie ihn
bezieht.» Dann sah sie, daß Aubrey im Kielwasser seiner Schwester ins Zimmer
gekommen war, und schloß ihn in ihr Willkommen ein. Er verbeugte sich ziemlich
steif und drückte ihr die Hand, bevor er sich an Charlotte wandte und sagte: «How
do you do? Wie ging es meinem Bruder, als Sie ihn verließen? Wird er Ihnen
bald nachkommen?»
«Ich weiß nicht – ich hoffe – ich
habe ihn nicht gern verlassen, aber Mama dachte ...»
«Mama dachte, daß es für ihre
Tochter viel besser sei, wenn sie aus dem Wirrwarr in Cambray fortkäme!»
unterbrach sie Mrs. Scorrier mit dem Lachen, das Venetia bereits zu irritieren
begann. «Dein Bruder wird bestimmt Ende des Jahres daheim sein, denn der Herzog
hat vor, die Armee Anfang nächsten Monats zurückzuziehen. Miss Lanyon, ich
habe gerade zu Charlotte gesagt, was für ein hübsches Zimmer das doch ist! Ganz
reizend, wirklich, und braucht nicht mehr als neue Tapeten, damit es ein so
eleganter Salon wird, wie ich nur je einen gesehen habe.»
Venetia war etwas verblüfft,
antwortete aber mit Haltung, und in der Hoffnung, Mrs. Scorrier in ein Gespräch
verwickeln zu können, so daß Aubrey und Charlotte miteinander bekannt werden
konnten, setzte sie sich neben sie auf das Sofa.
Mrs. Scorrier war durchaus zum
Plaudern
Weitere Kostenlose Bücher