Georgette Heyer
Léonie. «Stören? Was heißt stören?
Der Malefizkerl redet doch schon seit zehn Minuten ununterbrochen», beklagte
sich Seine Lordschaft. «Also los, Mann, los, sprechen Sie weiter!»
«Auf der
Reise», wiederholte Mr. Comyn mit unerschütterlicher Geduld, «wurde mir
allmählich klar, daß Miss Challoner die Sache näherging,
als ich ursprünglich vermutete. Nichtsdestoweniger mußte ich ihr
zustimmen, daß eine Heirat mit Eurer Lordschaft schon aus gesellschaftlichen
Erwägungen überhaupt nicht in Frage kam. Ich hielt aber trotzdem an
meinem Entschluß fest, weil ich dachte, daß Miss Challoner Eurer Lordschaft
völlig gleichgültig war. Nun brauchte es aber keine besondere Intelligenz, um
bei dem jüngsten Vorfall zu erkennen, daß Sie für die Dame all das empfinden,
was sich jede Frau von ihrem zukünftigen Gatten nur wünschen kann.»
Der Marquis
beobachtete ihn gespannt. «Und? Und? Weiter!»
Aber der
bedauernswerte Mr. Comyn wurde neuerlich unterbrochen, denn nach einem
zaghaften Klopfen öffnete der Wirt die Tür und meldete: «Draußen fragt ein
englischer Monsieur nach Mr. Comyn. Er nennt sich Mr. Hammond.»
«Sagen Sie
ihm, er soll sich zum Teufel scheren», rief Lord Rupert gereizt. «Hab noch nie
was von dem Kerl gehört! Der kann jetzt nicht herein.»
«Hammond?»
sagte der Marquis scharf. Ein rascher Schritt brachte ihn zu Mr. Comyn. «Dann
haben Sie es nicht getan?» Seine Augen schienen den anderen förmlich zu
durchbohren. «Rasch – es war also eine Lüge?»
«Ja,
Mylord, es war eine Lüge», antwortete Mr. Comyn ruhig.
Lord Rupert
verfolgte diesen Dialog mit offenem Mund, dann warf er der Herzogin einen
flehentlichen Blick zu. In Léonies Augen begannen kleine
Funken zu tanzen, und sie sagte ehrlich: «Es ist mir ein Rätsel, mon vieux. Ich
weiß überhaupt nichts mehr, und es will mir ja auch keiner etwas erklären.»
«Verdammt
und zugenäht, das halte ich nicht aus!» brüllte Seine Lordschaft, der mit
seiner Geduld am Ende war. «Was ist eine Lüge? Was ist das für ein Hammond? O
mein Gott, ich lande noch im Irrenhaus!»
«Soll ich
dem englischen Monsieur sagen, daß Mr. Comyn jetzt keine Zeit hat?» fragte der
Wirt zaghaft.
«Nein, her
mit ihm, und zwar sofort!» befahl Rupert. «Was stehst du da noch herum wie ein
Mondkalb? Du holst ihn auf der Stelle!»
«Ja, hole
ihn», sagte der Marquis. Er schaute noch immer Mr. Comyn an, aber sein Blick
war milder. «Guter Gott, Comyn, wissen Sie eigentlich, wie knapp Sie dem Tod
entronnen sind?» fragte er leise.
Mr. Comyn
lächelte. «Ich bin mir dessen bewußt, Mylord. Da nun die – wie Sie mir sicher
zustimmen werden, verständliche – Hitze des Gefechts
vorüber ist, kann ich wohl mit einem so heftig verliebten Mann Nachsicht üben.»
«Sehr
freundlich von Ihnen», sagte Seine Lordschaft mit einem etwas reumütigen
Grinsen. «Man behauptet allgemein, daß mir das Temperament zu
leicht durchgeht, das gebe ich zu.» Er drehte sich um, als er hörte, daß die
Tür wieder geöffnet wurde, um diesmal einen Gentleman in schwarzem Habit und
Beffchen mit einer Ramillies-Perücke einzulassen. «Mr. Hammond?» sagte er.
«Sie kommen im rechten Augenblick, Sir!»
Der
Geistliche musterte ihn mit unverhohlener Mißbilligung. «Ich glaube, ich habe
nicht das Vergnügen, Sie zu kennen, Sir», antwortete er frostig. «Ich bin – und
das nur äußerst ungern – auf die Bitte eines Mr. – ah – Comyn hier.»
«Aber ich
bin es, der Ihre Dienste benötigt», sagte Seine Lordschaft energisch. «Mein
Name ist Alastair. Sie begleiten, soviel ich weiß, Lord Edward Crewe auf der
Grand Tour?»
«Allerdings,
Sir, doch ich verstehe nicht, inwieweit das für Sie von Interesse sein könnte.»
In diesem
Moment ging Lord Rupert ein ganzes Feuerwerk auf. Er klatschte auf die Knie und
rief: «Beim heiligen Petrus, jetzt hab ich's! Natürlich, das ist ein Priester,
und deshalb wollten alle nach Dijon! Du meine Güte, das ist doch sonnenklar!»
Mr. Hammond
betrachtete ihn mit einem ausgesprochen unfreundlichen Blick. «Leider weiß ich
im Gegensatz zu Ihnen nicht, mit wem ich die Ehre habe, Sir.»
«Wie?»
sagte Rupert. «Oh, ich heiße Alastair.»
Mr. Hammond
errötete ärgerlich. «Sir, wenn das ein Witz sein soll, finde ich ihn leider
durchaus nicht komisch. Falls Sie mich bierherbestellt haben, Mr. Comyn, um
sich einen dummen Scherz mit mir zu erlauben ...»
Léonie
stand auf und ging auf ihn zu. «Bitte ereifern Sie sich nicht, Monsieur»,
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