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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskapaden
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heimlichen Heirat überrede, hat das doch einen
sehr unanständigen Beigeschmack.»
    «Wird nicht
notwendig sein, sie zu überreden», sagte Seine Lordschaft trocken. «Und sie
hat kein Vermögen, deshalb brauchen Sie nicht zu befürchten, daß man Sie für
einen Abenteurer hält. Sie können natürlich tun und lassen, was Sie wollen,
aber ich bin der Ansicht, das wäre das gescheiteste.»
    Mr. Comyn
nahm seine Karten und begann sie zu sortieren. «Vielen Dank jedenfalls – aber
mir ist schon der bloße Gedanke an einen Verstoß gegen die guten Sitten und
nun gar an eine Entführung zutiefst zuwider – und ganz besonders in einer so
delikaten Angelegenheit.»
    «Dann
sollten Sie einen weiten Bogen um unsere Familie machen», antwortete Seine
Lordschaft.

6
    Der Marquis von Vidal hatte nicht
erwartet, daß seine Unterredung mit Avon ein Genuß sein würde, aber nun erwies
sich die Situation noch peinlicher, als er darauf vorbereitet war. Es begann
damit, daß der Herzog an seinem Sekretär saß und schrieb, als Vidal den Raum
betrat, und sich in dieser Tätigkeit nicht im geringsten stören ließ, obwohl
der Butler Seine Lordschaft laut und deutlich anmeldete.
    Der Marquis
blieb eine Sekunde auf der Schwelle stehen und musterte seinen Vater, dann
ging er zum Kamin hinüber und wärmte einen elegant beschuhten Fuß an der Glut.
Allem Anschein nach war er ganz in die Betrachtung seiner auf Hochglanz
polierten Stulpenstiefel versunken – nur einmal faßte er mit einer
verräterischen Geste nach der Brabanter Spitze an seinem Hals und zerrte
daran, als sei sie ihm zu eng.
    Er hatte,
wahrscheinlich aus Rücksicht auf die in dieser Hinsicht bekannte Anschauung
Seiner Gnaden, mit ungewöhnlicher Sorgfalt Toilette gemacht, trug aber, wie
stets am Vormittag, Reitkleidung. Seine ledernen Kniehosen waren von
untadeligem Schnitt; der blaue Rock mit den Silberknöpfen wirkte vielleicht
etwas streng, unterstrich aber aufs vorteilhafteste seine schlanke Figur. Sein
gefranstes Halstuch zeigte diesmal ein sorgfältiges Arrangement, die Enden
waren durch einen goldenen Ring gezogen. Ein schmales schwarzes Band hielt
seine dunklen Locken straff zusammen, und er trug – bis auf einen schweren goldenen
Siegelring – weder Schmuck noch die bei den Makkaronis so beliebten
Schönheitspflästerchen, geschweige denn Rouge und Puder.
    Der Herzog
hatte zu schreiben aufgehört und las seinen Brief nun mit aufreizender
Bedächtigkeit durch. Vidal fühlte, wie allmählich die Wut in ihm aufstieg, und
biß die Zähne zusammen.
    Nach einer
kleinen Korrektur faltete der Herzog das Blatt, tauchte die Feder ein und
begann die Adresse zu schreiben. Ohne den Kopf zu wenden, sagte er: «Du darfst
Platz nehmen, Vidal.»
    «Danke,
Sir, aber ich stehe lieber», antwortete Seine Lordschaft kurz.
    Der Herzog
legte den zum Versiegeln fertigen Brief beiseite und drehte sich nun endlich
um, wobei er seinen Stuhl so zurechtrückte, daß er seinen Sohn betrachten
konnte. Vidal ertappte sich zum vielleicht hundertstenmal in seinem Leben bei
dem Wunsch, es sollte möglich sein, in dieser undurchdringlichen Miene zu
lesen.
    Der eine
Spur verächtliche Blick wanderte von Vidals Stiefeln zu seinem Gesicht und
verweilte dort. «Vermutlich darf ich es als Ehre auffassen, daß du Zeit
gefunden hast, mich zu besuchen», sagte Seine Gnaden liebenswürdig.
    Was sollte
man darauf antworten? Nach einem kurzen, unbehaglichen Schweigen fuhr der Herzog
fort: «Deine Anwesenheit in England ist zwar äußerst – nun, sagen wir –
anregend, Vidal, doch ich glaube, ich werde es verschmerzen können, sie zu
entbehren.»
    «Dann ist
er also tot?» fragte der Marquis.
    Avon zog in
höflicher Überraschung die Brauen hoch. «Ist es denkbar, daß du darüber nicht
informiert bist?»
    «Ich habe
keine Ahnung.»
    «Du bist
von einer beneidenswerten Sorglosigkeit», sagte Avon. «Soviel ich weiß, ist
der Gentleman noch am Leben. Ob er es bleibt oder nicht, ist eine Frage, die mich
im Augenblick nicht berührt, denn sie wird, was dich betrifft, in keiner Weise
ausschlaggebend sein. Vor drei Monaten habe ich dich gewarnt, daß dein nächster
Mord schwerwiegende Folgen haben wird. Du erlaubst mir doch, dich darauf
hinzuweisen, daß es keineswegs klug ist, meine Worte zu mißachten.»
    «Gewiß,
Sir. Ich nehme an, ich werde mich dem Gericht stellen müssen?»
    «Niemals»,
sagte Seine Gnaden kalt. «Noch bin ich jemand. Aber du darfst damit rechnen,
daß du zumindest eine Zeitlang auf dem

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