Georgette Heyer
Schnupftabaksdose
zurück, von der sein Besitzer bis zu diesem Moment angenommen hatte, sie in der
Stadt gelassen zu haben.
Nachdem
diese Affäre zur allgemeinen Zufriedenheit geordnet worden war, ereignete sich
nichts ähnlicher Natur, um die Harmonie des Aufenthaltes zu stören. Die
festlichen Weihnachtstage wurden mit den unterschiedlichsten Sportarten und
Spielen verbracht, unter denen sich ein Fasanenschießen, ein Ball und ein
großes Phaetonwettrennen zwischen Hero und Ferdys Schwester, Lady Fairford,
befanden, die als hervorragende Fahrkünstlerin galt und Hero fröhlich zu einer
Probe ihrer Geschicklichkeit herausgefordert hatte. Die Herren stürzten sich
mit großem Eifer auf diesen Wettkampf, sie erörterten die Bedingungen des
Rennens, bestimmten eine geeignete Rennstrecke und schlossen eine Unmenge
Wetten ab. Natürlich war Lady Fairford hoher Favorit, aber Mr. Ringwood, der
der Ansicht war, daß seine Ehre auf dem Spiele stand, wettete hoch auf seine
Schülerin und erteilte ihr einige sehr kluge Ratschläge. Lady Fakenham
erklärte zwar, sie wären ausgelassene tolle Dinger, aber sie erhob gegen den
Wettkampf keinerlei Einspruch. Er fand innerhalb der weit ausgedehnten
Parkanlagen von Fakenham Manor statt, und Hero, die die Verhaltungsmaßregeln
von Mr. Ringwood aufs Wort befolgte, gewann das Rennen mit einigen Längen. Der
Viscount zeigte sich höchlichst erfreut und erklärte, sein Kätzchen sei wahrhaftig
«nonpareil» und sie sei so geschickt, daß sie bis auf einen Zoll genau lenken
könne; als man am Abend beim Dinner in überschwenglichen Worten Trinksprüche
auf sie ausbrachte, sah man ihm so deutlich an, wie stolz er auf sie war, daß
ihr das Herz im Busen vor Glück ganz groß wurde und sie nichts anderes
vermochte, als errötend den Kopf zu schütteln und ihn flehentlich anzublicken.
Daraufhin lachte er, erhob sich und beantwortete die Toaste an ihrer Stelle.
Lady Fairford, die sich einer sehr männlichen Ausdrucksweise befleißigte,
erklärte, daß sie ihre Gloriole in der Tat eingebüßt habe; Lord Fakenham sagte,
seiner Meinung nach hätte Letty Lade in ihrer besten Zeit die Heldentat seiner
jungen Freundin auch nicht zu übertreffen vermocht; und Mr. Ringwood meinte
schlicht, seine Schülerin habe bewiesen, daß sie ganz in ihrem Element gewesen
sei.
Aber dieses
Wettrennen, an sich so harmlos und vergnüglich, sollte unheilvolle Folgen
zeitigen. Es wurde natürlich über das Rennen gesprochen, und die Neuigkeit,
daß es in London eine junge und gefährliche Fahrkünstlerin gab, erreichte auch
Lady Royston, die Frau eines sehr sportiven Baronets, die selbst in nicht zu
verachtender Weise die Kunst der Zügelführung beherrschte. Bis zu diesem Moment
hatte sie Sherrys junge Frau kaum beachtet, da sie um einige Jahre älter war
und auf jeden Fall wenig Zeit für Unterhaltungen mit ihren Geschlechtsgenossinnen
verschwendete. Als sie aber Hero im Hause einer gemeinsamen Bekannten traf,
erwies sie ihr die Ehre, sie vor allen anderen auszuzeichnen, sie zu
bevorzugen, sie auch ein wenig zu hänseln und Betrachtungen darüber
anzustellen, wie das Ergebnis wohl wäre, wenn Hero sich mit ihr in einem
Wettrennen messen würde. Diese Idee fand den größten Beifall der Kavaliere,
die sich um die beiden Damen geschart hatten. Lady Roystons Bewunderer
schworen, daß niemand Mylady schlagen könne, aber einer der Herren, der zu
Weihnachten im Schlosse der Fakenhams gewesen war, erklärte sich loyalerweise
bereit, sein Geld auf Lady Sherry zu setzen. In kürzester Zeit wurde das, was
bloß als lustiger Einfall begonnen hatte, bitterer Ernst. Lady Royston
forderte Hero zu einer Wettfahrt über eine bestimmte Rennstrecke heraus. Hero
nahm die Herausforderung an, es wurden Zielrichter und Zeitnehmer gewählt,
Regeln aufgestellt, ein Datum festgesetzt und Wetten abgeschlossen.
Rendezvous-Ort
sollte Epsom sein. Und das projektierte Wettrennen erwies sich bald als das am
meisten besprochene gesellschaftliche Ereignis. Hero, die von einem Sieg
träumte, der den warmen Blick des Stolzes wieder in Sherrys Augen zaubern
würde, mit dem er sie zu den Verwegensten unter den oberen Zehntausend
rechnete, war allen Anzeichen gegenüber blind, die ihr zur Warnung hätten dienen
sollen, daß diese Heldentat bei weitem zu verwegen war, um von den
tonangebenden strengen Mitgliedern der Gesellschaft gutgeheißen zu werden. Lady
Sefton befand sich nicht in London; Sherry war mit Mr. Ringwood und Lord
Wrotham in
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