Georgette Heyer
nicht die geringste Befriedigung gewährt hätte, wenn der Viscount
statt Hero Miss Milborne geheiratet hätte.
Was die
Unvergleichliche Isabella selbst betrifft, so war die Neuigkeit für sie ohne
Zweifel eine nicht sehr angenehme Erschütterung. Sherry war der erste ihrer
Bewerber, der anderwärts Trost gefunden hatte, und es wäre mehr als menschlich
gewesen, hätte sich ihrer keine fühlbare Gereiztheit bemächtigt. Da sie aber
einen ziemlich kräftig entwickelten Stolz besaß und ein gutmütiges Mädchen war,
erklärte sie Lady Sheringham, sie hätte schon immer gewußt, daß Sherry von
Hero außerordentlich eingenommen sei und daß sie den beiden ganz bestimmt nur
alles erdenkliche Glück wünsche.
Diese
würdige Art, die Neuigkeit aufzunehmen, fand die volle Billigung der
scharfsichtigen Mrs. Milborne.
«Sehr
hübsch von dir, meine Liebe, tatsächlich sehr hübsch», sagte sie, sobald die
Gräfinwitwe sie verlassen hatte. «Dennoch ist diese ganze Angelegenheit
empörend! Einen erbärmlichen Niemand wie diese Hero Wantage und noch dazu ohne
einen Knopf Geld zu heiraten, wo doch alle Welt wußte, daß er dir das ganze
Jahr lang zu Füßen lag.»
«Du
vergißt, Mama, daß er mir einen Heiratsantrag gemacht und daß ich ihm einen
Korb gegeben habe.»
«Sicher,
das stimmt, aber ich muß gestehen, meine Liebe, daß ich froh wäre, wenn du in
deiner abschlägigen Antwort nicht gar so heftig gewesen wärest. Es kann deinem
Ansehen nicht förderlich sein, wenn ein Freier davonläuft, um schnurstracks
eine andere zu heiraten. Ich nehme ja an, daß
er es aus Verzweiflung tat, und ich kann nur hoffen, daß er es nicht eines
Tages bereut. Alles in allem betrachtet, glaube ich, daß er nach London
zurückkehren wird und daß es kein übler Gedanke wäre, meine Liebe, wenn du Hero
deine Glückwünsche übermitteln würdest.»
«Ich hatte
ohnedies die Absicht, es zu tun, Mama.»
«Die
Viscountess Sheringham!» sagte Mrs. Milborne in unzufriedenem Ton. «Ich hätte
nie gedacht, daß ich es erleben werde, dieses junge Ding vor dir verheiratet
sehen zu müssen, bei all deinen blendenden Erfolgen, mein Liebling.»
Inzwischen
hatte die Gräfinwitwe den plötzlichen Entschluß gefaßt, nach London zu reisen;
sie wäre allerdings außerstande gewesen, mit einiger Klarheit anzugeben, welche
Absicht sie damit verfolgte. Sie erklärte in einer etwas vagen, dafür aber um
so nachdrücklicheren Weise, daß Anthony auf die Worte seiner Mutter mindestens
werde hören müssen, auf welche Grundlage sie diese Überzeugung jedoch stützte,
hätte niemand zu sagen vermocht. Sie befahl ihrem Bruder, sie auf dieser
traurigen Fahrt nicht nur zu begleiten, sondern auch zu unterstützen, und
machte sich in einer riesigen Reisekutsche auf den Weg. Zu ihrer Bedienung nahm
sie ihre Kammerfrau, einen Kutscher, einen Lakai und mehrere Vorreiter mit.
Angeführt wurde diese Kavalkade von einem ähnlichen (wenn auch weniger
prächtigen) Fahrzeug, in dem sich ihre Koffer und so viele Bediente befanden,
als sie für notwendig erachtete, ihre Bequemlichkeit für einige Tage in dem
Palais am Grosvenor Square zu gewährleisten. Die Erinnerung an das Palais
lenkte ihre Gedanken auf ein weiteres Unrecht, und sie erklärte ihrem Bruder,
daß sie nicht daran zweifle, ihr pflichtvergessener Sohn werde sie auf die
Straße werfen, um seine armselige junge Frau in jenem Haus unterzubringen,
über dessen Schwelle sein seliger Vater sie vor vierundzwanzig Jahren getragen
hatte. Mr. Paulett, der den Geist, der aus diesen Worten sprach, wenigstens zu
würdigen verstand, unterließ es, sie daran zu erinnern, daß der verstorbene
Viscount sie in Wirklichkeit in das Schloß Sheringham Place geführt hatte.
Als die
schwergeprüfte Gräfin London erreichte und ein gebieterisches Schreiben ins
Hotel Fenton geschickt hatte, wurde ihr die höfliche Botschaft übermittelt,
daß Mylord Sheringham und Gemahlin abgereist seien. Der Hotelsekretär fügte
zuvorkommend hinzu, daß sich Seine Lordschaft derzeit in Melton Mowbray
aufhalte. Damit hatte der Viscount allerdings einen schweren Fehler begangen.
Wäre er nämlich in London geblieben und hätte er pflichtschuldigst Reue an den
Tag gelegt, hätte sich seine junge Frau dem Schutze ihrer Schwiegermutter
anvertraut und um Verzeihung und gleichzeitig um Belehrung gebeten, dann wären
der Gräfinwitwe möglicherweise alle Vorteile dieser Verbindung klargeworden,
und es hätte nur ganz geringer Überredung bedurft, um sie
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