Georgette Heyer
Pfade jedes lebhaften Wesens lauern, das sich
vorgenommen hat, in der großen Welt Furore zu machen. Als der Viscount Hero
heiratete, hatte er wohl gewußt, daß sie mit den Gebräuchen der vornehmen Welt
nicht vertraut war, aber einerseits in dem übel angebrachten Vertrauen, das er
in die Bereitwilligkeit seiner Mutter setzte, Hero unter ihre Fittiche zu
nehmen, andererseits in dem etwas leichtfertigen Glauben, daß Hero sehr rasch
Bescheid wissen würde, hatte er nicht geahnt, dazu ausersehen zu sein, bei
ihrem Début eine große Rolle zu spielen. Denn was die Unterhaltung der
fashionablen Damen seiner Bekanntschaft anbelangte, so verließen sie sich in
dieser Beziehung in den seltensten Fällen auf ihre Ehemänner; auch mußte man
sie nie aus Schwierigkeiten befreien, in die sie durch ihre Unwissenheit
geraten waren. Der Viscount hatte sich tatsächlich mit der leichtfertigen
Absicht in die Ehe gestürzt, seine Frau zu einigen Bällen und Gesellschaften zu
begleiten, gelegentlich mit ihr durch den Hydepark zu fahren und sich während
des Frühstücks mit ihr liebenswürdig zu unterhalten. Diese herkömmlichen
Zugeständnisse würden mit der Aufrechterhaltung seiner gewohnten Vergnügungen
kaum in Konflikt geraten. Der Viscount hatte weder einen bösartigen Charakter,
noch war er ein unbillig denkender junger Mann, und er gedachte, was Hero
betraf, keinerlei Einwendungen gegen die Gründung eines eigenen Hofstaates mit
seinen dazugehörigen Cicisbeos zu erheben, ja selbst seine amourösen Intrigen
(wenn sie diskret behandelt wurden) in
Kauf zu nehmen. Er nahm an, daß sie ihre eigenen Kartenpartien arrangieren
werde und ihr Nadelgeld vielleicht im Silber-Loo verlieren würde, daß sie in
der Lotterie von Richardson ihre Lieblingszahlen setzen, ihre teuersten
Toiletten im Hydepark zeigen und sich im allgemeinen wie alle andern reichen
Damen von Stand verhalten würde. Es wäre ihm nie eingefallen, daß er, von einer
Schießkonkurrenz in Epping zurückgekehrt, mit der Nachricht überrascht werden
würde, Mylady werde zum Dinner nicht zu Hause sein, da sie mit einigen Freunden
in einem Dampfboot nach Margate gefahren war; aber auch nicht, daß er den Royal
Saloon in Piccadilly auf der Suche nach jenen Amüsements betreten würde, die
der türkische Pavillon des Etablissements zu bieten hatte, um kurz darauf beim
Anblick seiner eigenen Frau aus der Fassung zu geraten, die in Gesellschaft
einer äußerst leichtfertigen jungen Witwe und zwei der verwegensten jungen
Leute seiner Bekanntschaft in einer der Logen soupierte. Die Tatsache, daß es
sich um genau dieselbe Art von Gesellschaft handelte, die er selbst zu
frequentieren gewohnt war, besänftigte seine wilde Empörung durchaus nicht. Die
Witwe, die er sehr genau kannte, begrüßte ihn schalkhaft und in sprühender
Laune, erhielt aber für ihre Bemühungen nur einen eisigen Blick und die
allerfrostigste Verbeugung; die beiden jungen Leute, die die unverkennbaren
Merkmale eines wütenden Ehemannes nicht übersahen, waren plötzlich peinlichst
bemüht, sich Lady Sheringham gegenüber taktvollst zu verhalten. Nur die
Sünderin selbst blieb völlig natürlich, als sich Seine Lordschaft der
Gesellschaft anschloß. Obwohl er das tat, wäre es allen, die in ihm nur einen
Teufelskerl sahen, der sofort zum Mittelpunkt einer jeden Gesellschaft dieser
Art wurde, schwergefallen, ihn in diesem übertrieben förmlichen jungen
Gentleman wiederzuerkennen, der sich an einem der ungehobelten Tische
niederließ und auch weiterhin durch seine Anwesenheit lähmend wirkte. Er
entzog Hero im ersten nur möglichen Augenblick dieser Gesellschaft und hielt
ihr auf der Heimfahrt einen Vortrag über die Ungehörigkeit, sich an einem
derartigen Ort und in derartiger Gesellschaft zu zeigen. Hero war sofort
entsetzlich zerknirscht, erklärte aber, Mrs. Chester, die fesche Witwe, habe
sich auf ihre Freundschaft mit ihm berufen, so daß sie annehmen mußte, sie wäre
ein einwandfreier Verkehr. Der Viscount geriet darüber in einige Verwirrung
und beendete die Diskussion eiligst, indem er erklärte, dies gehöre nicht zur
Sache, und daß sie den Royal Saloon unter keinen Umständen wieder betreten
dürfe. Sie versprach, es nicht mehr zu tun, und die ganze Affäre geriet in
Vergessenheit. Aber eine Woche darauf kam der Viscount, der durch puren Zufall
von der kühnen Absicht seiner Frau erfahren hatte, eine Spelunke – den Peerless
Pool – zu besuchen, gerade noch zurecht, um sie daran zu hindern.
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