Georgette Heyer
seinem Sturz vom Stalldach, bei dem er sich das
Schlüsselbein brach. Alles, was Rotherham dazu gesagt hatte, war, Charlie möge
sich noch glücklich schätzen, daß er sich das Schlüsselbein gebrochen hatte
und daß er, Rotherham, verdammt sein mochte, wenn er sich diesen ungezogenen
Jungen je wieder auflade.
«Augusta legt das also ganz falsch
aus, wenn sie sagt, er hätte Gerard lieber, falls er mutiger wäre und nicht
soviel Respekt vor ihm hätte», klagte Mrs. Monksleigh. «Es gibt bestimmt keinen
mutigeren Jungen als Charlie, denn er ist ständig in irgendeiner Klemme, und er
macht sich nie etwas daraus, was man ihm sagt, aber das gefällt Rotherham auch
wieder nicht! Ich versichere Ihnen, Lady Serena, ich lebe in der ständigen
Angst, daß er Rotherham bös macht, solange wir in Claycross sind, denn ich
weiß, er würde nicht zögern, den armen Jungen entsetzlich hart anzufassen, was
ich jedoch, wie ich ihm sagte, absolut verbiete. Gestern habe ich schon
geglaubt, daß alles verloren ist, als dieser höchst unangenehme Wildhüter einen
solchen Tanz aufführte, weil ihm Charlie eine Ladung Blei ins Bein gejagt
hatte. Ganz, als sei das nicht nur ein Unfall gewesen! Natürlich war es nicht
richtig von Charlie, daß er das Gewehr ohne Erlaubnis genommen hatte, aber der
Mann war schließlich nur ganz wenig verletzt. Rotherham aber sagte richtig
drohend, er würde Charlie eine Lektion geben, und ich spürte schon einen meiner
Anfälle kommen, nur sagte Augusta zu Rotherham, er sei ein großer Narr,
daß er das Gewehrzimmer nicht abgesperrt habe, wenn er einen solchen Kobold wie
Charlie im Haus hätte, und dann sagte sie noch, er wolle doch bestimmt nicht,
daß ich Schreikrämpfe bekomme, und so ging das auch vorbei, und ich war Augusta
wirklich dankbar.»
Selbst Fanny mußte über diesen
aufrichtigen Bericht lachen, obwohl sie nicht wie Serena unverzüglich die
meisterhafte Strategie Lady Silchesters zu schätzen wußte. Sie wunderte sich,
daß Mrs. Monksleigh es gewagt hatte, Charlie seinen Einfällen allein zu
überlassen, während sie im Dower House war. Aber es schien, daß Mrs.
Monksleigh gar nichts gewagt hatte. Sie hatte ihn mitgenommen, aber Fanny nicht
mit ihm belästigen wollen, und hatte Gerard dazu überredet, sich um ihn zu
kümmern. Die Kutsche hatte beide bei Cherrifield Place abgesetzt. Gerard
Monksleigh und Edgar Laleham waren miteinander in Cambridge, im gleichen
Jahrgang und am gleichen College. Mrs. Monksleigh hoffte, daß Lady Laleham
nichts dagegen haben würde, wenn sie Charlie mit seinem Bruder hinschickte.
Serena glaubte nicht, daß Lady Laleham etwas auch nur gegen irgend etwas
hatte, das die Verbindung zu Claycross stärkte.
Sie bekamen von den Leuten auf
Claycross niemanden mehr zu Gesicht bis zu dem Abend, an dem die Unterhaltung
in Quenbury stattfand. Zu ihrer Überraschung überfiel sie mitten am Abend
Rotherham. Beim Anblick seiner seidenen Kniehose und der Seidenstrümpfe rief
Serena aus: «Du warst also doch bei der Unterhaltung!»
«Ja, und ich bin immer noch dort, im
Spielzimmer – oder hoffe wenigstens, daß Cordelia das glaubt!»
Sie hob die Brauen. «Das Vögelchen
wurde nicht handzahm?»
«Im Gegenteil! Ein gehetztes
Vögelchen, das man durch Angst und Schrecken in ein Muster fader
Wohlerzogenheit verwandelt hatte. Ich forderte sie zu den ersten zwei Tänzen
auf, und alles, was ich aus ihr herausbekam, war < Oh, Lord Rotherham! > und < O ja, Lord Rotherham! > , und einmal zur Abwechslung < Durchaus,
Lord Rotherham! > Daraufhin probierte ich den alten Trick und versicherte
ihr, daß sie alle anwesenden Schönheiten aussteche, aber als ihr auch das
nichts Ermutigenderes als ein < Nicht doch, Lord Rotherham > entlockte, gab
ich die Bemühungen auf und kam statt dessen hierher, um mich gebührend von dir
und Lady Spenborough zu verabschieden. Meine Gäste fahren morgen ab, und ich
muß Ende der Woche in London sein.»
«Guter Gott, Ivo, willst du mir
damit erzählen, daß Emily das einzige Mädchen war, das du mit einer Aufforderung
zum Tanz beehrt hast? Nicht einmal deine Nichte oder Susan oder Margret?» rief
Serena entsetzt.
«Die würden dir diese Zumutung
ebensowenig danken wie ich.»
«Aber das war doch höchst ungehörig
– ja, ganz abscheulich!» sagte sie hitzig. «Genau das, was die Leute als
aufreizend empfinden! Es wäre schon schlimm genug gewesen, wenn du nur mit den
Damen deiner eigenen Gesellschaft getanzt hättest. Aber da hätte jeder bloß
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