Georgette Heyer
war der
Verlust der Londoner Abendgesellschaften, bei denen sich das Gespräch fast
ausschließlich um Regierungskrisen oder einen Sieg über die Opposition drehte,
nur ein Gewinn; und sie konnte nicht begreifen, was an der Neuigkeit Interessantes
sein sollte, daß die Anhänger Greenvilles und Fox' sich wegen einer Rede
Broughams trennten. Das Los der Whigs und der Tories war für Fanny viel
unwichtiger als die Angst, ihre Mama könnte ihr zur Gesellschaft ihre Schwester
Agnes nach Bath schicken.
Diese Furcht bedrohte Fannys
Seelenruhe ernstlich, bis es sich herausstellte, daß Lady Claypoles Besorgnis
um das Wohlergehen ihrer verwitweten Tochter nicht so stark war, um sie zu
bewegen, zu Beginn der Londoner Saison entweder selbst nach Bath zu fahren
oder die zweitälteste Tochter in schon mehr als heiratsfähigem Alter
hinzusenden. Lady Claypole, deren dritte Tochter auch schon ungeduldig an den
Zügeln der Schule zerrte, ließ ihrem Entschluß, eine respektable Verbindung für
Agnes zu stiften, keine zartfühlende Bedachtnahme auf Fannys Wohl in die Quere
kommen. Sie schien jeden Gedanken an eine glänzende Heirat Agnes'
fallengelassen zu haben, deutete jedoch in einem immer wieder durchstrichenen
Brief an, sie hege Hoffnung, einen sehr würdigen Mann in
erträglichen Verhältnissen für die Zweitälteste einzufangen. Fanny seufzte
über den Brief, war aber froh, daß ihr die Gesellschaft Agnes' erspart blieb.
Eine ältere und eifersüchtige Schwester, die an Gelehrsamkeit aufholte, was ihr
an Schönheit abging, und die bestimmt ein kritisches Auge auf ihre jüngere
Schwester gehalten hätte, wäre wohl kaum dazu angetan gewesen, ihre Behaglichkeit
zu vergrößern. Sie zog die Gesellschaft ihrer Stieftochter unendlich vor,
sowenig auch Mama dem Takt der lieben Serena traute. Mama konnte mit Serena
einfach nicht einverstanden sein. Sie sagte, sie führe sich auf, als genieße
sie den Schutz eines Eheringes und habe gleichzeitig eine zu großartige und
eine zu geringe Vorstellung von ihrem Rang. Mama hatte sie mit ganz unwürdigen
Personen freundschaftlich verkehren sehen, als dächte sie, ihr Rang spreche
sie von der Notwendigkeit – unerläßlich für jede unverheiratete Frau – frei,
sich zurückhaltend zu benehmen. Mama hoffte aufrichtig, sie würde Fanny nicht
in irgendeine Ungelegenheit bringen, und beendete ihren Brief mit der
ernstlichen Beschwörung, nicht zu vergessen, wie Fannys eigene Lage nun sei
oder welcher Respekt der Hinterbliebenen eines Grafen zustehe.
Fanny beantwortete diese Botschaft
pflichtgetreu, aber im gleichen Augenblick, da Lady Spenborough versicherte,
Mama beurteile die liebste Serena falsch, ließ ein Schuldbewußtsein ihre Feder
erzittern und einen Klecks fabrizieren. Eine innere Stimme sagte ihr, daß Mama
Serenas neueste Freundschaft tief mißbilligen würde. Und es war ja auch nicht
zu leugnen: Serena verkehrte freundschaftlich mit einer sehr unadeligen Person.
Die Bekanntschaft war in der
Trinkhalle geschlossen worden, und das auf die seltsamste Weise: verschiedene
Male schon hatten sich Fanny und Serena über die auffallende Erscheinung einer
ältlichen Dame amüsiert, die zwar sehr klein, aber von erstaunlichem Umfang
war; sie hing – klugerweise – der Mode ihrer Jugendzeit an, konnte aber –
unklugerweise – dem Zauber strahlender Farben nicht widerstehen. Sie hatte ein
fröhliches, energisches Gesicht, darunter drei dicke Kinnfalten, und eine
Fülle unwahrscheinlich schwarzer Ringellocken, die nur unvollkommen von
Käppchen verschiedenster Modelle gebändigt wurden; darüber saßen die üppigst
garnierten Hüte. Serena rief Fannys kichernde Proteste hervor, als sie
versicherte, daß sie fünf Straußenfedern, eine Weintraube, zwei Büschel
Kirschen, drei große Rosen und zwei Rosetten auf einer einzigen dieser
Kreationen gezählt hatte. Eine Nachfrage entlockte Mr. King die Information,
daß die Dame die Witwe eines reichen Kaufmannes aus Bristol war – oder es konnte
auch ein Reeder gewesen sein; so genau konnte das Mr. King nicht sagen.
Zweifellos in ihrer Art eine recht nette Person, aber – Ihre Gnaden würden ihm
zustimmen – äußerst fehl am Platz in einem so noblen Ort wie Bath. Sie lebte
ständig hier, leider, aber er war nie mehr als sehr reserviert höflich zu ihr.
Sagenhaft reich, hieß es; er jedenfalls bedauerte die entarteten Zeiten und war
glücklich, daß er sich noch der Tage erinnern konnte, da bloßer gewöhnlicher
Reichtum es einer Mrs. Floore
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