Georgette Heyer
nicht möglich gemacht hätte, am selben Ort wie
eine Lady Spenborough zu verkehren.
Diese Rede, die Serena mit einem
verächtlichen Achselzucken angehört hatte, mochte schuld daran gewesen sein,
daß sie geneigt war, Mrs. Floore nachsichtig zu betrachten. Die Witwe war ein
Stammgast der Trinkhalle, und wenn sie nicht gerade damit beschäftigt war, ihre
Bekannten zu begrüßen und mit ihnen heiter und durchaus nicht zurückhaltend zu
lachen und zu plaudern, pflegte sie dazusitzen und Serena wohlgefällig, aber
etwas verwirrend anzustarren. Serena war sich des beharrlichen Blicks bewußt,
gab ihn schließlich mit leicht erhobenen Brauen zurück und war überrascht, als
die alte Dame ihr zunickte und sie ermutigend anlächelte. Sehr erheitert ging
sie freundlich auf sie zu. «Verzeihen Sie, Ma'am, aber ich glaube, Sie wollen
mich sprechen?»
«Stimmt, das wollte ich nämlich
wirklich!» sagte Mrs. Floore. «Freilich, ob Euer Gnaden sich herablassen
würden, mit mir zu sprechen, habe ich stark bezweifelt! Freilich nicht danach,
was ich an Ihnen beobachten konnte, denn eine so große Dame und so nobel Sie
sind, Mylady – Sie haben eine freundliche Art an sich, und Sie schauen mir
nicht danach aus, als seien Sie so hochmütig, daß Sie die Nase über gewöhnliche
Leute rümpften!»
«Das tue ich, hoffen wir, wirklich
nicht!» sagte Serena lachend.
Mrs. Floore stupste einen sanftmütig
aussehenden Mann, der auf seinem Stuhl neben ihr saß, mit dem Finger in die
Rippen und sagte: «Ich weiß wahrhaftig nicht, wohin Ihr Verstand geraten ist,
Tom Ramford! Stehen Sie auf und bieten Sie Lady Serena Ihren Platz an, Mann!»
Mr. Ramford gehorchte diesem Befehl
sehr verwirrt und hastig. Mrs. Floore schnitt seine Entschuldigungen und
Beteuerungen freundlich, aber entschieden ab und sagte: «Na, ist schon gut! Sie
verschwinden jetzt!»
«Der arme Mensch!» sagte Serena, als
sie sich niedersetzte. «Sie sind sehr streng, Ma'am! Wieso, bitte, wissen Sie
eigentlich, wie ich heiße?»
«Himmel, meine Liebe, das weiß doch
jeder, wer Sie sind! Ich wette aber, Sie wissen nicht, wer ich bin!»
«Da verlieren Sie, Ma'am. Sie sind
Mrs. Floore, ständiger Wohnsitz: Bath», gab Serena zurück.
Die alte Dame kicherte so von
Herzen, daß alle ihre Kinnfalten wakkelten. «Stimmt, das bin ich, und
ich bin überzeugt, Sie wissen es, weil Sie jemanden fragten, wer zum Teufel
denn diese alte Fregatte sein könnte, die noch einen Reifrock trägt!»
«Ich habe zwar gefragt, wer Sie wohl
sein mögen, aber so habe ich Sie nicht beschrieben!» antwortete Serena sofort.
«Himmel, ich würde es Ihnen nicht
übelnehmen! Ich würde noch viel schlimmer ausschauen, wenn ich mich in eins
dieser neumodischen Gewänder zwängen wollte, die ihr alle heutzutage tragt, mit
der Taille unter den Armlöchern und einem kerzengeraden Rock! Für Sie alles
sehr schön, Mylady, mit der bezaubernden, schlanken Figur, die Sie haben, aber
ich kann Ihnen sagen, wie ich ausschauen würde: wie ein Mehlsack mit einem
Strick drum rum! Tja, da müssen Sie lachen, und ich sehe, es stimmt, das mit
Ihren Augenlidern, obwohl ich geglaubt habe, daß das so ein Schulmädelunsinn
ist, als man es mir erzählte: sie lächeln wirklich mit!»
«Guter Gott, wer kann Ihnen bloß so
etwas Lächerliches erzählt haben, Ma'am?» fragte Serena und errötete leicht.
«Ja, das ist's ja gerade!» sagte
Mrs. Floore. «Ich wette, Sie haben sich gefragt, warum ich Sie so gern
kennengelernt hätte. Nun, ich habe eine Enkelin, die hält eine Welt von Euer
Gnaden, und soviel sie mir erzählte, waren Sie mächtig nett zu ihr.»
«Eine Enkelin?» wiederholte Serena
und wurde plötzlich steif in ihrem Stuhl. «Sie wollen doch nicht sagen, daß Sie
– aber nein! Da war also Lady Lale – die Dame, die mir einfällt – eine geborene
Miss Sebden?»
«Das war sie», stimmte Mrs. Floore
freundlich zu. «Sebden war mein Erster und der Papa von Sukey. Ich hatte zwei
sehr gute Gatten und habe sie beide begraben, und das ist mehr, als dessen sich
Sukey rühmen kann, trotz all der Allüren, die sie sich anmaßt!»
«Heiliger Himmel!» rief Serena aus
und wünschte von Herzen, daß Rotherham anwesend wäre, um ihren Spaß zu teilen –
was er bestimmt getan hätte. «Nun denn, ich freue mich sehr, Sie kennenzulernen,
Mrs. Floore, denn ich habe die kleine Emily Laleham aufrichtig gern. Sie hat
sich im vergangenen Winter oft unseres Trübsinns erbarmt. Wir – Lady
Spenborough und ich – vermißten sie
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