Georgette Heyer
Fanny, wie es ihr in
Laura Place gefalle. Sie war über seine offenkundige Abneigung gegen ihren
Besucher verzweifelt und konnte es sich nicht versagen, dem Major einen Blick
zuzuwerfen, um zu sehen, ob er so verletzt war, wie sie es fürchtete. Sie
begegnete einem so traurigen Lächeln und so viel amüsiertem Verständnis in
seinen Augen, daß sie gleichzeitig beruhigt und verlegen war. Nach einer Weile
erinnerte er sich an eine Verpflichtung, verabschiedete sich und sagte
halblaut, als sie ihm die Hand reichte: «Es ist besser, wenn ich morgen nicht
mit Serena ausreite.»
Er ging, und sie wandte sich ihrem
Vater zu. Er unterbrach ihre Fragen nach dem Ergehen der anderen
Familienmitglieder sofort. «Fanny, was soll das heißen? Ich versichere dir, ich
habe die ganze Geschichte für eine Phantasterei gehalten, aber meiner Seel, was
finde ich vor? Genau diesen Kerl, mit dir allein!»
«Die ganze Geschichte?» wiederholte
sie. «Was für eine Geschichte, bitte?»
«Nun, daß da irgendein Offizier auf
halbem Sold existiert, der hinter dir her ist und dich zum Stadtgespräch
macht!»
«Das ist nicht wahr!»
«Schön, schön, anscheinend hat er
quittiert, aber das ist nur eine Haarspalterei!» sagte er mürrisch.
«Er ist nicht hinter mir her.»
Die ruhige Würde, mit der sie dies
sagte, schien ihn stutzig zu machen. Und tatsächlich hatte sie noch nie mehr
nach großer Dame ausgesehen als eben jetzt. Er sagte etwas milder: «Nun, ich
freue mich, deine Versicherung in diesem Punkt zu hören, meine Liebe, aber ich
hätte es nicht von dir erwartet, einen jungen Mann im Tête-à-tête mit dir
vorzufinden.»
«Papa, ich glaube, du vergißt meine
Situation! Ich bin kein junges Mädchen mehr! Wenn meine Witwenschaft ...»
«Tatsache ist, meine Liebe, daß dein
Witwentum kein Schutz ist!» unterbrach er sie barsch. «Ich würde nichts sagen,
wenn du älter wärst – aber du bist fast noch ein Kind und viel zu hübsch, als
daß dich das Häubchen, das du trägst, vor Annäherungsversuchen bewahrte. Ich
wußte doch, wie es kommen würde, als du uns schriebst, daß du nach Bath
ziehst!»
«Bitte, Papa, willst du mir nicht
sagen, wer die monströse Unverschämtheit besaß, dir solche Geschichten über
mich zu erzählen?»
«Ich habe es von diesem alten Narren
Dorrington gehört, und du kannst dir denken, daß ich nicht gefragt habe, wer
sein Informant war. Aber er dürfte seine Freunde in Bath haben. Ich habe ihn
ziemlich scharf in die Schranken gewiesen und ihn merken lassen, daß mir seine
Art Humor nicht paßt!»
«Oh, wie recht Serena hat!» rief sie
und preßte die Hände an die Wangen. «In der ganzen Welt gibt es keine so
gräßlichen Leute wie diese Klatschmäuler in Bath! Ich staune, daß man dir nicht
erzählt hat, General Hendy sei hinter mir her!»
«Was, der ist hier? Nun, er hatte
schon immer ein Auge für hübsche Frauenzimmer, aber hinter dir her sein – Guter
Gott, Fanny, er muß mindestens sechzig sein! Es ist etwas anderes, meine Liebe,
wenn so ein junger Affe wie dein Major Kirkby seinen Köder nach dir auswirft!
Jetzt reg dich nur nicht auf! Noch ist nichts passiert, was nicht sehr leicht
in Ordnung gebracht werden könnte. Ich sagte zu Mama, wenn du dich indiskret
betragen haben solltest, dann mußt du es in aller Unschuld getan haben. Es
liegt eben daran, daß du mit keiner besseren Anstandsdame als Lady Serena hier
lebst, und das geht nicht! Wir müssen beschließen, was da am besten zu
geschehen hat.»
In größter Bestürzung stammelte sie:
«Papa, du irrst dich vollkommen! Major Kirkby kommt nicht meinetwegen her!»
Er tat einen leisen Pfiff. «Du
willst mir doch nicht etwa sagen, daß seine Galanterie Lady Serena gilt?»
Sie nickte.
«Na! Also war es doch wahr! Weder
deine Mama noch ich wollten es glauben! Ich hätte geglaubt, die junge Dame ist
viel zu hochnäsig, um die Aufmerksamkeiten eines bloßen Niemand zu ermutigen!
Sie muß doch ein empörend leichtfertiges Frauenzimmer sein!»
«O nein, nein!» brachte sie völlig
vernichtet heraus.
«Nun, ich will nicht mit dir
streiten, aber ich kann dir nur das eine sagen, Fanny, wenn sie in
Schwierigkeiten gerät, wird man dir die Schuld geben!»
«Wer hat dir diese Geschichte
erzählt?» fragte sie schwach.
«Deine Tante Charlotte bekam sie in
einem Brief von Mrs. Holroyd und hat sie deiner Mama erzählt. Sie sagte, dein
Major stecke ständig in Laura Place und tobe außerdem im ganzen Land mit Lady
Serena herum. Ich brauche dir nicht
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