Georgette Heyer
wahr! Aber sie ist
genauso dumm wie ich, und ich habe immer geglaubt, er verachte dumme
Frauenzimmer in Grund und Boden! Denk nur an die ungeduldige, sarkastische Art,
wie er spricht, wenn man etwas sagt, das er für dumm hält! Er schien sich zwar
sehr über die drolligen Dinge amüsiert zu haben, die sie sagte und die nicht im
geringsten drollig gemeint waren, aber ich dachte, er ziehe sie nur auf, und
das nicht sehr nett!»
«Das habe ich auch geglaubt, aber
anscheinend haben wir uns geirrt.»
«Ja, wirklich! Und noch dazu die
Quenbury-Unterhaltung! Deshalb also hat er seine Mündel dazu begleitet! Aber
die Art, wie er noch am selben Abend von Emily sprach, als du mit ihm Streit
hattest, weil er nur sie aufgefordert hatte – wie konnte er das tun, wenn er
auch nur das leiseste Gefühl für sie hatte? Erinnerst du dich, wie er uns
erzählte, daß er nichts als Ja und Nein aus ihr herausbrachte und deshalb keine
weiteren Ausfälle mehr unternommen hatte, sondern statt dessen zu uns gekommen
war, um sich zu verabschieden?»
«Ich erinnere mich sehr deutlich.
Auch an meine eigenen Worte bei der Gelegenheit. Ich nehme an, ihr
zurückhaltendes Benehmen muß ihn erst recht gereizt haben, und das, was als ein
müßiger Spaß begann, wurde zu Ernst. Wahrscheinlich hat er noch nie vorher
sein Taschentuch fallen gelassen, ohne daß es sofort aufgehoben worden wäre.
Ich bewundere Emily sehr; ich hätte nicht geglaubt, daß sie es in sich hat, den
gräßlichen Marquis so zahm und gefügig zu machen!»
«O Serena, ich bin überzeugt, sie
hat nie im Leben daran gedacht! Sie mochte ihn nicht. Ja, ich glaube, sie hatte
Angst vor ihm! Das ist es ja, warum diese Nachricht so besonders schrecklich
ist!»
«Wenn er sie liebt, wird sie nichts
zu fürchten haben», sagte Serena leicht gepreßt.
«Wenn ...! Ich kann es nicht glauben!»
«Was immer du sonst nicht glaubst,
das eine wenigstens ist sicher!» sagte Serena. «Es kann unmöglich ein anderer
Grund dafür existieren, daß er sie um ihre Hand gebeten hat! Sie hat nichts,
was sie ihm empfehlen könnte, weder Herkunft noch Vermögen, nur ein hübsches
Gesicht und die Natürlichkeit eines jungen Kätzchens!»
«Dann ist er vernarrt, und das ist
das Schlimmste von allem, denn verlaß dich darauf, daß er sich bald erholt und
sie dann satt haben und sie unglücklich machen wird!»
«Du malst ja ihre Aussichten sehr düster!»
«Ja, weil ich weiß, was für ein
hartes Wesen er hat und wie gefühllos er ist, abgesehen von seinem Stolz und
seiner Anmaßung! Und ich weiß, daß sie von dieser hassenswerten Mutter dazu
gezwungen wurde!»
«Warum regst du dich eigentlich so
auf, meine Liebe? Dir kann es ja schließlich gleichgültig sein!»
«O ja! Aber wenn du wüßtest, was es
für ein Mädchen heißt, zu einer Heirat mit einem Mann gezwungen zu werden, der
doppelt so alt ist wie sie, würdest du nicht ...» Sie hielt inne, entsetzt über
ihre Worte. Ihre Wangen waren blutübergossen; sie sah verstört drein und
brachte heraus: «Verzeih! Ich wollte nicht – ich würde nicht um die Welt – ich
weiß nicht, wie ich dazu komme, so etwas zu sagen!»
«Du brauchst mich nicht um
Entschuldigung zu bitten. Ich habe es immer für ungeheuerlich gehalten, und du
hast mir aufrichtig leid getan.»
«Nein, nein, sag das nicht! Dein
Papa – kein Mensch hätte je freundlicher sein können – kein Mensch
rücksichtsvoller! Du darfst nicht denken, daß ich ihn auch nur einen
Augenblick lang mit Rotherham vergleichen wollte!»
«Das weiß ich. Schau, Fanny, wein
nicht! Es ist alles sehr traurig, aber es nützt nichts, sich darüber
aufzuregen. Emilys Sorgen gehen uns nichts an.»
Fanny trocknete die Tränen, sagte
aber: «Ich hätte nicht geglaubt, daß du so gefühlskalt sein kannst! Man müßte
doch etwas dagegen tun!»
«Dagegen tun! Nein, das kann man
nicht!» sagte Serena. «Schlag dir das aus dem Kopf, Fanny. Es wurde
bekanntgegeben, und nun muß es weiterlaufen!»
Sie sprach so streng, daß Fanny ganz
erschrocken war. «Aber, Serena, du selbst hast nicht so gedacht!» konnte sie
nicht umhin zu sagen.
«Nein, das habe ich nicht, und um so
mehr Grund, daß diese Verlobung nicht in die Brüche geht! Sie wird es auch
nicht – darin können wir dem Laleham-Frauenzimmer vertrauen!» Sie schwieg und
sagte dann: «Nun, ich muß ihm sofort meine Glückwünsche schicken. Ja, es ist
besser, wenn ich es unverzüglich tue.»
«Serena, wenn ich das auch tun soll,
dann tut es mir leid,
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