Georgette Heyer
über ihr Zuhause und ihre Familie und wie sehr sie
Angst davor hatte, daß man ihr ihre Schwester Agnes schicken würde, damit diese
bei ihr lebe. Er konnte ihre Gefühle in diesem Punkt vollkommen verstehen; und
obwohl sie von ihrer Mama nur mit Respekt sprach und ihre eigene Ehe nicht
erwähnte, brauchte er nicht lange, um so ziemlich zu verstehen, warum sie die
Hand eines Mannes akzeptiert hatte, der dem Alter nach gut ihr Vater hätte sein
können. Seine Meinung über dieses Thema behielt er für sich.
Es geschah nichts, was die Harmonie
dieser Sommertage hätte stören können, bis Fanny eines Morgens im Juni die Morning
Post auf der einzigen Seite, die sie interessierte, öffnete, und diese eine
Bombe enthielt. Fanny hatte Serena gerade die Neuigkeit von einer Indisposition
der Prinzessin Charlotte vorgelesen und wollte eben ihre Überlegungen über die
vermutliche Ursache der Krankheit anstellen, als ihr Blick auf ein anderes
Thema der gesellschaftlichen Nachrichten fiel. Sie hielt den Atem an und rief
dann impulsiv aus: «Guter Gott! O nein! Unmöglich!»
«Na, was ist denn jetzt wieder los?»
fragte Serena, die eben Rosen in einer Vase arrangierte.
«Rotherham!» brachte Fanny mit
erstickter Stimme heraus.
Serena drehte sich rasch um und
schaute sie an. «Rotherham? Was ist mit ihm?» fragte sie scharf. «Ist er auch
krank? Fanny – er ist doch nicht tot?»
«O nein, nein!» sagte Fanny.
«Verlobt!»
«Verlobt?»
«Ja! Einfach fürchterlich! Mit Emily
Laleham!»
«Das ist nicht wahr!»
«Es muß wahr sein, Serena, weil es
hier steht, schwarz auf weiß! Kein Wunder, daß du verblüfft bist! Das arme
Kind! Oh, was für eine schlechte, abscheuliche Frau diese Lady Laleham doch
ist! < Zwischen Ivo Spencer Barrasford, Marquis of Rotherham, und Emily
Mary, der ältesten Tochter des Sir Walter Laleham, Bart. – wurde die Ehe
vereinbart > – ha, und ob ich weiß, wer das vereinbart hat! Sieh selbst, es
kann kein Irrtum sein! Oh, ich war in meinem Leben noch nicht so entsetzt!»
Sie blickte von der Zeitung zu
Serena auf, die starr wie ein Stein mitten im Zimmer stand, zwei Rosen in der
Hand, mit weißem Gesicht und Entsetzen in den Augen:
«Was habe ich da angestellt?» sagte
sie mit einer seltsam heiseren Stimme. «O Gott, was habe ich da bloß
angestellt?»
«Liebste, deine Schuld ist das
wirklich nicht!» rief Fanny. «Er lernte sie in meinem Haus kennen, nicht in
dem deinen! Nicht, daß ich mich daran schuld fühle, denn weiß Gott, ich habe
Lady Laleham nicht eingeladen, mich an jenem fatalen Tag zu besuchen! Und nach
allem, was wir von der abscheulichen, aufdringlichen Art hören, mit der sie sich in die höchsten Kreise eingedrängt
hat, hätte er sie auf alle Fälle irgendwo kennenlernen müssen, selbst wenn es
nicht in meinem Haus gewesen wäre! Obwohl, zugegeben, es wäre nicht so leger
gewesen, gerade nur um den Tisch herumsitzen, wie wir damals, und ohne die
geringste Förmlichkeit plaudern. Oh, wenn ich gewußt hätte, was daraus
entstehen würde, wäre ich lieber unhöflich zu Lady Laleham gewesen, als sie in
das Frühstückszimmer einzulassen!» Sie sah, daß Serena sie völlig leer
anstarrte und daß Blut über ihre Finger lief. «Oh, du hast dich an den Dornen
gestochen! Gib acht, daß du dir nicht das Kleid verschmierst, Liebste!»
Ihre Worte schienen Serena zu sich
zu bringen. Sie zuckte leicht zusammen und schaute auf ihre Hand hinunter. Ihre
Finger um die Rosenstiele lockerten sich; sie legte die Blumen nieder und sagte
leise: «Wirklich. Wie dumm! Bitte, Fanny, kümmere dich um die Blumen! Ich muß
mir die Hände waschen gehen.»
Sie ging schnell aus dem Zimmer und
blieb eine Weile weg. Als sie zurückkehrte, erzählte sie etwas von einem abgerissenen
Volant am Kleidsaum, den sie nähen mußte. Fanny, die wußte, daß sie nie auch
nur einen Stich machte, hätte dieser beispiellose Vorgang beträchtlich
überrascht, wäre sie nicht so völlig mit der Neuigkeit von Rotherhams
Verlobung beschäftigt gewesen. So sagte sie nur geistesabwesend: «Wie
ärgerlich! Ist deine Jungfer nicht da? Weißt du, Serena, je mehr ich darüber
nachdenke, um so überzeugter bin ich, daß Lady Laleham genau das im Sinne
hatte, als sie sich uns an jenem Tag aufdrängte!»
«Sehr wahrscheinlich. Ich halte sie
zu allem fähig!» sagte Serena leichthin.
«Ich hätte nie gedacht, daß ihm ein
Mädchen wie Emily gefallen könnte!»
«Man kann nie voraussagen, was einem
Mann gefällt.»
«Nein, das ist
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