Georgette Heyer
ist, einen Freund um Geld anzupumpen, dann ist
es höchste Zeit, daß dir's jemand sagt», erklärte der Viscount in strengem
Ton. «Was wäre denn gewesen, wenn das Pferd nicht gewonnen hätte? Da wäre ich
doch wie ein Schwindler dagestanden!»
«Ja, ja ...
ich bin aber überzeugt, Mr. Fancot hätte das weder gedacht noch sich das
geringste draus gemacht.»
«Nein,
natürlich nicht. Dadurch wird die Sache selbst aber nicht besser. In
Wirklichkeit nur schlechter. Ich gebe zu, daß es mir nichts macht, irgendeinem
richtigen Prahlhans Geld zu schulden, oder einer Menge Geschäftsleuten. Ich
gehöre aber nicht zu jener merkwürdigen Sorte, die bei Freunden
herumschmarotzt. Ich möchte, daß du das zur Kenntnis nimmst!»
Nell war
tief beschämt und bat ihn demütig und zerknirscht um Verzeihung. Er
betrachtete sie mit gefurchter Stirn und fragte plötzlich: «Wenn du den ganzen
Staub nicht deshalb aufgewirbelt hast, weil du annahmst, daß ich das Geld beim
Rennen in Chester gewonnen habe – woher glaubtest du dann, daß ich mir's
verschafft habe?»
Sie ließ
den Kopf, tief errötend, sinken. «Ach, Dysart, ich war so schrecklich dumm!»
«Das glaube
ich, aber das sagt mir gar nichts. Wieso gerietest du in diesen sonderbaren
Zustand? Du wirst mir doch nicht sagen, du dachtest, ich hätte eine Kutsche
überfallen und einen Fremden ausgeraubt?»
«Nein ...
viel schlimmer», flüsterte sie und preßte ihre Hand an die glühende Wange.
«Benimm
dich nicht wie eine alberne Gans! Ich möchte jetzt nur wissen, was deiner
Ansicht nach noch ärger ist», sagte er ungehalten.
«Ach,
Dysart ... verzeih mir. Ich dachte ... du hättest mein Halsband genommen.»
«Nein,
nicht möglich! Ich habe dir doch ausdrücklich geschrieben, daß ich mit deinen
kostbaren Juwelen nicht auf und davon gegangen bin. Also binde mir gefälligst
keinen Bären auf.»
«Nicht
meinen Schmuck ... das Cardross-Halsband.»
«Was?!»
Sie wich
unwillkürlich vor ihm zurück.
«Du –
dachtest – ich–habe–das Cardross-Halsband– gestohlen?!» sagte der
Viscount mit furchtbarer Betonung. «Mädel, bist du völlig verrückt geworden?»
«Ich
glaube, ich m-muß v-verrückt g-gewesen sein», gestand sie. «Es war nur, weil du
meinen Wagen überfallen hast. Ich hätte nie daran gedacht, wenn du nicht die
Absicht gehabt hättest, meinen Schmuck an dich zu nehmen und für mich zu
verkaufen. Ich glaubte ...»
«Ich will
nichts mehr davon hören, was du glaubtest und dachtest», unterbrach sie Dysart
in drohendem Ton. «Mein Gott, du sitzt hier vor mir und sagst mir ins Gesicht,
daß du mich für fähig hältst, mir etwas anzueignen, das keinem von uns beiden
gehört?»
«Nein,
nein. Ich meine ... ich fragte mich, ob du vielleicht annahmst, daß es mir
gehört. Und da du wußtest, daß ich mir nichts daraus mache, so ...»
«– so
klaute ich es während deiner Abwesenheit. Ein Schmuckstück, das – der Himmel
allein weiß – wie viele tausend Pfund wert ist», unterbrach er sie wütend,
«nur um deine lumpigen Schulden zu bezahlen. O nein! Ich vergaß ja etwas! Nicht
nur um deine Schulden zu bezahlen, was? Denn du hast von mir ja auch noch drei
Hunderter zu bekommen – verteufelt anständig von mir, bei Gott! – und über
siebentausend stecke ich selbst so nebenbei ein. Weißt du vielleicht, was ich
mit dem Zeug gemacht habe? Verkaufte ich es einem Hehler oder verpfändete ich
es bei einem Pfandleiher? Jetzt wundere ich mich nicht mehr, daß ich dich in
dieser Aufregung vorfand. Das einzige, worüber ich mich wundere, ist, wie es
mir gelang, bisher nicht in das Gefängnis von Newgate eingesperrt zu werden.»
Er war vom
Sofa aufgesprungen und lief in so finsterer Wut im Zimmer auf und ab, daß sie
zu zittern begann. Sie wagte es nicht, sich ihm zu nähern, und sagte bloß
beschwörend: «Es war sehr schlecht von mir, und ich bitte dich herzlich um
Verzeihung. Wenn du aber wüßtest, wie es war ... o Dysarr, sei nicht so
schrecklich böse mit mir. Alles war so entsetzlich, und ich fürchte, mein
Verstand ist weniger zuverlässig, als «ich dachte. Ich weiß, wie sehr ich dich
gequält habe, und als ich deinen Brief las, war mein erster Gedanke, du wärest
eine waghalsige Wette eingegangen. Damals hatte ich noch nicht den geringsten
Argwohn. Erst als ich erfuhr, daß mein Halsband verschwunden ist ... und du den
Brief in demselben Zimmer geschrieben hast, in dem es versteckt war ... und ich
mich erinnerte, daß ich es dir einmal gezeigt habe
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