Georgette Heyer
diesem Viehzeug.»
«Aber,
Dysart, wie entsetzlich! Das muß ein schrecklich schmutziges Haus sein.»
«Ja, das
glaube ich wohl», bestätigte er. «Das heißt, ich weiß, daß es so ist, aber das
hat nichts zu bedeuten. Hauptsache ist, daß die meisten Anwesenden auf die
Spinne wetteten. Um die Wahrheit zu gestehen, war ich ja derselben Ansicht,
denn sie war eine ungemein kräftige Läuferin, mit famosen Beinen. Aber ich
wettete natürlich nicht auf sie, denn ich hatte ja den Kakerlaken für das
Rennen genannt, glaubte allerdings nicht, daß er jemals gewinnen könnte.»
«Und er
gewann?» fragte Nell neugierig.
«Gewann es
mit der halben Länge der Rennstrecke», sagte der Viscount. «Das war nämlich
der Tisch. Wir hatten sie nebeneinandergestellt, und ich muß sagen, ich hielt
meinen Favorit für etwas angesäuselt nach seinem intensiven Biergenuß. Ich glaube,
er war es auch, denn kaum hatte ich ihn zum Start freigegeben – mit einer Gabel
–, als er auch schon in großartigem Tempo losraste, immer geradeaus die
Rennstrecke entlang direkt auf das Ziel los. Bedenke nur, die Spinne hatte alle
Chancen, ihn zu schlagen: verteufelt gute Beine, darauf gebe ich dir mein
Wort. Das Kreuz mit ihr war, daß sie sich weigerte, über die Rennstrecke zu
laufen. Faltete sie ihre Beine nicht unter sich zusammen, dann lief sie im
Kreise. Nun, jung Johnny Kakerlak scheute auch ein wenig, doch jedesmal, wenn
ich meine Sporen verwendete, ging's wieder dahin in wildem Galopp – und immer
geradeaus! Wenn man ihn ansah, hätte man nie geglaubt, daß er so blendend
laufen könnte. Ein Traber, dachte ich mir, und das war er auch, aber ein mutiger
kleiner Bursche.»
«Nein, Dy»,
rief Nell lachend, «wie albern du bist! Und du gewannst das ganze Geld mit
diesem Geschöpf?»
«Nein,
nein, natürlich nicht. Das war bloß ein Spaß. Ich gewann mit ihm nicht viel
mehr als tausend Pfund.»
«Und was
wurde aus ihm?» konnte sich Nell nicht enthalten zu fragen.
«Wie soll
ich das wissen? Lief wahrscheinlich in seinen Stall zurück, ich achtete nicht
sehr auf ihn. Ich meine, als das Rennen gewonnen war, dachte ich überhaupt
nicht mehr an die ganze Sache. Es lag auch kein Grund dazu vor. Aber jetzt paß
mal auf, Nell. Als ich Sonntag nacht zu Bett ging, schlug ich die Decke zurück,
und ich will verdammt sein, wenn nicht mitten im Bett ein Kakerlak saß. Wie ich
so ein Dummkopf sein konnte, nicht schon damals zu ahnen, was das bedeutet,
wundert mich heute noch. Erst am Montag fiel mir's wie Schuppen von den Augen.
Ich ging in den Tattersall, bloß um zu schauen, wie die Leute ihr Geld wetteten,
und wen traf ich da, wenn nicht den alten Jerry Stowe. Nein, du kennst ihn
nicht – nicht die Sorte, die du kennen würdest. Aber für einen Tip ist er
außerordentlich verläßlich, das kann ich wohl behaupten. Habe
ihm mal 'ne kleine Gefälligkeit erwiesen. Nichts Großartiges, wenn man ihn aber
hört, könnte man glauben, ich hätte ihm das Leben gerettet. Der langen Rede
kurzer Sinn war, daß er mir ins Ohr flüsterte, ich solle beim King's Plate in
Chester mein ganzes Geld auf Kakerlak setzen. Ich kann dir sagen, es schmiß
mich fast um. Ich hatte von dem Pferdchen bisher nicht einmal gehört. Hatte
überhaupt nicht die Absicht, bei dem Rennen zu wetten, keinesfalls bei so
ungleichen Chancen, denn meiner Meinung nach war außer Milksop kein Pferd
genannt worden, das Firebrand schlagen konnte. Doch als Jerry mir den Tip gab,
war die Sache für mich natürlich erledigt. Ich reimte mir zwei und zwei zusammen
und wußte sofort, daß Kakerlak unter allen Umständen gewinnen mußte. Die
einzige Sorge war, wo zum Teufel ich genügend Kleingeld auftreiben sollte,
damit die Sache dafürstand.» Er schwieg und furchte die Stirn. Der amüsierte
Ausdruck verschwand aus Nells Augen, die sich jetzt in schmerzlicher Frage auf
ihn richteten. «Tat etwas, was ich nie zuvor getan habe. Hätte auch nie
gedacht, daß ich es tun könnte», sagte er kopfschüttelnd. «Verdammt üble Sache!
Aber weißt du, hätte ich nicht ganz genau gewußt, daß das Pferd nicht verlieren
kann, dann hätte ich es auch nie getan.»
Nell
lächelte matt: «Was hast du getan, Dy? Sag es mir ... bitte.»
«Borgte mir 'nen
Tausender von Corny», erwiderte er kurz.
«O-h-h!» Es
war ein langer Seufzer unaussprechlicher Erleichterung. «Ist das alles? Ich
dachte, ich meinte ... du hast etwas getan ... etwas Schreckliches getan.»
«Tja, wenn
du nicht weißt, daß es schrecklich
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