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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lady April
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sagte: «Lassen Sie das Weinen und hören Sie mich an. Ich
begebe mich jetzt unverzüglich zu Mrs. Thorne. Wenn ich Lady Letitia dort finde
oder durch Miss Selina erfahre, wohin sie gegangen sein könnte, braucht
vielleicht niemand etwas von dem zu erfahren, was sich heute zugetragen hat.
Sie dürfen also mit niemandem darüber sprechen! Verstehen Sie? Sollte man Sie
fragen, wo ich bin, dann sagen Sie, Sie wissen es nicht. Und jetzt gehen Sie
wieder hinunter und sagen Sie Sutton, sie soll in mein Schlafzimmer kommen.»
    Sutton,
welche fünf Minuten später Nells Schlafzimmer in der Annahme betrat, ihr beim
Umkleiden behilflich sein zu sollen, fand sie bereits in Straßenkleidung vor,
einen Hut auf dem Kopf und einen leichten Umhang um die Schultern. Ehe sie
ihrer Überraschung Ausdruck verleihen konnte, sagte Nell in kühlem Ton:
«Sutton, es ist recht ärgerlich, ich sehe mich aber gezwungen auszugehen. Ich
weiß nicht, wie lange ich ausbleiben werde.» Sie hob den Blick von den
Handschuhen, welche sie über die Finger streifte, und sagte: «Vielleicht
erraten Sie, was mich auszugehen veranlaßt. In diesem Fall bin ich überzeugt,
mich auf Ihre Diskretion verlassen zu können.»
    «Mylady
können sich stets darauf verlassen. Wenn es sich, wie ich annehme, darum
handelt, Lady Letitia zu finden, dann bitte ich mir zu gestatten, Mylady
begleiten zu dürfen.»
    «Danke,
Sutton. Das ist nicht nötig. Ich – ich habe einen besonderen Grund, weshalb Sie
hierbleiben sollen. Ich möchte nicht, daß es jedermann erfährt – denn wenn
Lady Letitia etwas Törichtes getan hat, was – was ich vielleicht noch in
Ordnung bringen kann ...»
    «Ich
verstehe vollkommen, Mylady. Meine Lippen bleiben fest geschlossen,
mag kommen, was mag», kündigte Sutton in ihrer steifen Art an, doch mit der
standhaften Miene eines Menschen, der in die Folterkammer geschleppt werden
soll.
    «Nun, ich
glaube ja nicht, daß daraus etwas so Furchtbares entstehen wird», sagte Nell
mit schwachem Lächeln. «Seine Lordschaft diniert heute abend nicht zu Hause, er
wird sich daher vielleicht gar nicht nach mir erkundigen. Sollte er dennoch
nach mir fragen, dann können Sie sagen, Sie glauben, ich wäre zu einem Dinner
eingeladen. Er wird dann nicht weiter fragen, wo Lady Letitia ist, weil er
annehmen wird, daß sie mit mir ist.»
    «Gewiß,
Mylady. Er wird von mir bestimmt nichts erfahren.»
    «Ich bin
Ihnen sehr dankbar. Ja, da ist noch etwas anderes: glauben Sie, es würde Ihnen
gelingen, George aus der Halle zu bringen, damit er nicht bemerkt, daß ich das
Haus verlasse? Er würde es vielleicht merkwürdig finden und darüber reden.»
    «Höchstwahrscheinlich,
Mylady. Ich werde sogleich hinuntergehen und ihn beauftragen, das
Reisenecessaire von Mylady aus dem Kofferraum zu holen», sagte Sutton mit
Aplomb.
    «Wozu in
aller Welt sollte ich es brauchen?» wendete Nell ein.
    «Das,
Mylady, geht George nichts an», erwiderte Sutton kühl.
    Was immer
George sich gedacht haben mag, die List erwies sich als erfolgreich. Es befand
sich niemand in der Halle, um Nell aus dem Haus schlüpfen zu sehen; und niemand
befand sich in Hörweite, als sie die Haustür leise hinter sich zuzog. Sie stieß
einen Seufzer der Erleichterung aus und eilte rasch in die Richtung des
nächsten Droschkenstandplatzes.

13
    Mrs.
Thornes Butler,
welcher Nell die Tür gerade noch rechtzeitig öffnete, um die langsam
abrollende Droschke zu sehen, die sie auf den Bryanston Square gebracht hatte,
war äußerst überrascht, daß Mylady sich herabgelassen hatte, ein so gemeines
Vehikel zu benützen. Sie hatte das erwartet und sagte in der ungezwungensten
Weise, ihre Equipage habe einen kleinen Unfall erlitten. Er schien sich mit
dieser Erklärung zufriedenzugeben, doch als sie nach seiner Herrin fragte, war
er genötigt, ihr mitzuteilen, daß Madam sich in ihr Zimmer zurückgezogen habe,
um sich zum Dinner umkleiden zu lassen.
    «Dann
fragen Sie, bitte, Ihre Herrin, ob ich zur ihr hinaufkommen kann», sagte Nell,
als wäre es für eine Dame von Rang die natürlichste Sache der Welt, eine halbe
Stunde vor dem Dinner in einer Vormittagstoilette mit einer ganz gewöhnlichen
Mietsdroschke vorzufahren und in kühlem Ton zu verlangen, in das Schlafzimmer
der Dame des Hauses geführt zu werden. Der Butler sah sehr bedenklich drein,
doch als er ihren Auftrag ausgerichtet hatte, kehrte er fast unmittelbar
darauf zurück und bat Mylady, sich hinaufzubemühen.
    Mrs. Thorne
saß in einen faltenreichen

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