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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lady April
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der guten Sache ihrer Cousine willen jedes
Martyrium auf sich zu nehmen. Sie hatte in dem bezaubernden Drama zwar nicht
die Hauptrolle gespielt, es war ihr jedoch nicht schwergefallen, sich
einzureden, daß die beiden Beteiligten ohne ihre selbstlosen Dienste jetzt
gezwungen wären, sich resigniert in ihr gleichermaßen bitteres Schicksal zu
ergeben. Letty – wenn sie nicht dahinsiechen und innerhalb eines Jahres sterben
würde – wäre rücksichtslos zu einer Ehe mit einem Midas von hohem Rang und
üblem Charakter gezwungen worden, dessen brutale Behandlung sie hätte erdulden
müssen. Und Mr. Allandale, von seinen Vorgesetzten unerklärlicherweise
vergessen, hätte sich sein Leben lang in einem fremden Land vor Sehnsucht verzehrt
und wäre teils wegen dieser schmerzlichen Hintansetzung und teils wegen seiner
Seelenqual – das Porträt seiner verlorenen Liebe stets am Herzen tragend –,
ihren Namen auf den Lippen, schließlich gestorben.
    Bevor sie
sich Nell gegenübersah, vor welcher sie einen ungeheuren Respekt hatte, war ihr
diese rührende Geschichte so wahrscheinlich erschienen, daß ihr trauriger
Ausgang ihr fast unvermeidbar erschien. Sie hatte die hochherzigen Worte, die
sie sagen wollte, wenn sie für ihre Mithilfe zur Rechenschaft gezogen wurde,
oftmals wiederholt. In diesen Szenen war jeder Versuch von Lettys Verfolgern
gescheitert, ihr das Geheimnis ihres Aufenthaltsortes zu entreißen. Manchesmal
blieb sie stumm, während der Sturm über ihren in treuer Ergebenheit gesenkten
Kopf hinwegtobte; meistens war sie jedoch ungemein beredt und drückte sich mit
so rührender Herzensreinheit aus, daß selbst weltlich gesinnte Männer wie ihr
Vater oder Lord Cardross einsehen lernten, wie falsch und gewinnsüchtig ihre
Absichten gewesen waren, und aus dieser Begegnung mit verwandelten Herzen und
der höchsten Meinung von ihrer Furchtlosigkeit, ihrem Edelmut und ihrem
Verstand hervorgingen.
    In diesen
Traumszenen sprachen alle Personen des Dramas immer den Text, der ihnen von
Selina vorgeschrieben wurde; im wirklichen Leben sagten sie so völlig
verschiedene Dinge, daß sie damit alles über den Haufen warfen. Selina kam nur
dazu, einen einzigen ihrer vorbereiteten Sätze zu sagen. Von ihrer Mutter
befragt, ob sie wisse, was aus Letty geworden sei, verschränkte sie ihre Hände
über der Brust und verweigerte eine Antwort. Hierauf forderte sie die beiden
Damen auf, sie zu bedrohen, soviel sie wollten, und mit ihr zu tun, was ihnen
beliebe; sie mache sie aber darauf aufmerksam, es werde ihnen niemals gelingen,
sie dazu zu bringen, ihre Cousine zu verraten.
    Jetzt hätte
Mrs. Thorne ihre Tochter bei ihrem Gehorsam beschwören müssen, die Wahrheit zu
entdecken; statt dessen ersuchte sie ihre Tochter gereizt und mit
beklagenswertem Mangel an dramatischem Flair, um Himmels willen nicht wieder
mit ihrer Theaterspielerei zu beginnen. Und ehe Selina sich von diesem Schlag
zu erholen vermochte, vollendete Nell ihre Niederlage dadurch, daß sie
ungeheuer vorwurfsvoll sagte: «Tatsächlich, Selina, jetzt darfst du keine
Komödie spielen, denn ich fürchte, es ist weit ernster als du ahnst.»
    Danach war
nicht mehr daran zu denken, daß sie ihre Rolle bis zu dem ersehnten
dramatischen Höhepunkt werde spielen können. Selina erklärte wohl, sie würde
nichts verraten, doch selbst in ihren eigenen Ohren klangen ihre Worte weit
eher trotzig als edel. Nachdem sich Mrs. Thorne aus ihrem Stuhl aufgestemmt
hatte und ihre Absicht kundgab, sie unverzüglich zu ihrem Papa zu führen, der
schon wissen würde, wie man mit einer derartigen Impertinenz fertig werde,
brach sie, anstatt sich wie eine Heldin zu betragen, in entsetztes Schluchzen
aus.
    Es dauerte
einige Zeit, bis die beiden Damen die ganze Geschichte aus ihr herausgebracht
hatten. Ihre Enthüllungen wirkten auf Mrs. Thorne dermaßen vernichtend, daß
Nell tiefes Mitleid mit der armen Dame empfand. Sie war durch diese Entdeckung
völlig gebrochen. Denn wenn sie annahm, Selina sei in Begleitung ihrer Zofe in
die Tanzstunde oder in die Klavierstunde gegangen, so hatte sich dieses gottverlassene
Mädchen allein und verstohlen in die fashionabelsten Gegenden der Stadt begeben, um
ihre Cousine zu einem Betragen aufzumuntern und ihr in einem Verhalten
beizustehen, das, wenn es bekannt wurde, genügte, um beide in den Augen der
ganzen vornehmen Welt für immer mit Schande zu bedecken. Sie konnte nicht mehr
tun, als Selina mit Vorwürfen überschütten und sich fragen, wie sie zu

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