Georgette Heyer
tragen gewünscht
hast, nicht wahr? Du hättest dich allerdings über dessen Wert informieren
müssen, bevor du daran gingst, es zu verwerten. Ich kann nicht zugeben, daß man
meine Frau so leicht betrügt, Lady Cardross!»
Sie sah ihn
flüchtig an und rief, während sie eine Hand abwehrend erhob, in beschwörendem
Ton: «O nein, Giles, Giles!»
Es rührte
ihn nicht. «Ach, verschwende deine Cajolerien nicht an mich, meine Schöne. Das
wird dir nichts nützen. Ich war zwar noch weit dümmer, als du dachtest, aber
glaub mir, das Spiel ist jetzt endgültig aus! Du hast mich bewunderungswürdig
beschwindelt, du besiegtest mich mit diesem süßen Gesicht und dieser Unschuldsmiene.
Ich dachte, mit allen Wassern gewaschen zu sein, doch als ich dich sah – als du
deine Hand in die meine legtest, mich ansahst und lächeltest ...» Er brach ab
und schien den Zorn, der ihn zu überwältigen drohte, nur mit dem Aufgebot
seiner ganzen Willenskraft meistern zu können. «Du mußt mir verzeihen. Ich
hatte nicht die Absicht, über diesen Gegenstand zu sprechen, ehe ich nicht Zeit
gefunden, mich von dem Schlag zu erholen, daß sich der Argwohn, der sich mir in
den wenigen Monaten unserer Ehe aufdrängte, so glorreich bestätigte. Nun wohl!
Ich bekam nur das, was ich verdiene. Ich hätte klüger sein müssen, als mich von
deinem hübschen Lärvchen verführen zu lassen oder zu glauben, daß sich hinter
diesem charmanten Gehaben ein Herz befindet, das man gewinnen könnte. Du gabst
mir allerdings nie Veranlassung, dies zu glauben, nicht wahr? Wie ungerecht von
mir, dich dafür zu tadeln. Ich verpflichte mich, es nie wieder zu tun, doch du
mußt ebenfalls versuchen, besser auf meinen Teil des Vertrages einzugehen. Es
wurde mir klargemacht, wie beklagenswert wenig er meinen Erwartungen
entspricht, doch das kann sich ändern, und muß sich ändern. Sag mir, mein süßes
Leben, wie hoch bezifferst du deine Schönheit, deine pflichtgetreue
Ergebenheit, deinen bewunderungswürdigen Takt und deine unfehlbare
Höflichkeit?»
Nell war
völlig reglos vor ihm gestanden und weder vor seinen Giftpfeilen
zurückgewichen, mit welchen er unbarmherzig nach ihr zielte, noch hatte sie zu
antworten versucht. Sie war totenblaß. Obwohl sie hörte, was gesagt wurde,
achtete sie kaum darauf. Er sagte entsetzliche Dinge, doch er kannte die
Wahrheit nicht: er sagte diese Dinge ja zu einem Wesen, das nicht existierte,
und nicht zu ihr. Es kränkte sie, daß er sie so falsch beurteilte, doch sie
dachte nicht daran, ihn deshalb zu tadeln. Genau so falsch hatte sie selbst ja
Dysart beurteilt, und mit weit weniger Grund.
«Nun? Warum
zögerst du? Oder weißt du nicht, wie hoch mein Vermögen beziffert wird?»
Sie sah ihn
an und erblickte einen Fremden. Sie konnte ihm nicht die ganze Wahrheit sagen,
während er sich in dieser grauenhaften Stimmung befand, und noch weniger
vermochte sie ihm den schwarzen Verdacht mitzuteilen, der in der Tiefe ihres
Herzens aufgetaucht war. Schließlich würde er es zwar doch erfahren müssen,
doch bisher war sie ihrer Sache noch nicht ganz sicher. Wenn ihn aber ein noch
furchtbareres Unheil bedrohte, als er bisher ahnte, war vielleicht noch Zeit,
es abzuwenden. Sie durfte nur keine einzige kostbare Minute vergeuden, indem
sie versuchte, sich zu rechtfertigen oder Dysart und Letty der Weißglut seines
Zorns auszusetzen. Später würde sie es ihm erzählen, doch jetzt nicht, nachdem
ihre eigene Rolle in der Affäre plötzlich im Vergleich mit jener, die Letty
gespielt hatte, bedeutungslos geworden war.
Sie
versuchte zu sprechen und bemerkte, daß ihr die Stimme versagte. Er sah sie
noch immer hart und böse an. Das kränkte sie, und Tränen traten ihr in die
Augen. Es gelang ihr, sie zu unterdrücken, und während sie den rührenden
Versuch machte, ein zitterndes Lächeln auf ihre Lippen zu zwingen, sagte sie:
«Ich kann dir jetzt nicht antworten, v-verstehst du? S-später weide ich es tun.
Nicht jetzt.»
Damit eilte
sie blindlings zur Tür. Seine Stimme ließ sie innehalten, ja erschreckte sie
ein wenig. «Nein, komm zurück! Nell, es war nicht mein Ernst. Nell, so hör
doch, es war nicht mein Ernst!»
Er machte
einen raschen Schritt auf sie zu, hielt jedoch plötzlich inne, da die Tür
geöffnet wurde, und der Butler eintrat.
«Ich bitte
Eure Lordschaft um Vergebung», sagte Farley entschuldigend.
«Nun, was
gibt's?» fuhr ihn Cardross scharf an.
«Ich
dachte, Eure Lordschaft wünschen unterrichtet zu werden, daß Sir
Weitere Kostenlose Bücher