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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lady April
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daß man von ihm glauben könnte, er habe sich wie
ein gewissenloser Mitgiftjäger benommen!»
    «Ja, das
hat etwas für sich», stimmte Mrs. Thorne, allerdings noch etwas zweifelnd, zu.
«Er würde seine Stellung im Außenamt bestimmt verlieren. Aber Sie wissen ja,
meine Liebe, wenn sich ein Mann bis über beide Ohren verliebt, kann man nie
sagen, wessen er fähig ist. Und Sie werden mir doch nicht einreden wollen,
Letty wäre davongelaufen, ohne ihm von ihrer Absicht etwas zu sagen.»
    «Ja, das
glaube ich», sagte Nell mit einem winzigen erstickten Lachen. «Genau das sähe
ihr nämlich ähnlich!»
    «Nein, so
etwas!» staunte Mrs. Thorne. «So ein freches kleines Frauenzimmer! Eine nette
Überraschung muß das für Allandale gewesen sein, als er vom Außenamt nach
Hause kam und vermutlich an nichts dachte als an sein Dinner! Und dann fand er
dieses ungezogene Mädel, diesen Frechdachs, in seiner Wohnung, die nichts
andres von ihm erwartete,
als daß er mit ihr, ohne zu zögern, nach Schottland abbraust. Nun, ich hoffe,
es wird ihm eine Lehre sein. Aber wenn es sich so zugetragen hat, warum
brachte er sie nicht schon längst zu Ihnen zurück?»
    «Darüber
habe auch ich schon nachgedacht», sagte Nell. «Es sieht merkwürdig aus,
vielleicht wurde er aber lange im Amt zurückgehalten ...? Außerdem wird es
ziemlich lange dauern, bis er Letty dazu bringt, ihren Plan aufzugeben. Am
wahrscheinlichsten erscheint es mir, daß sie einen ihrer hysterischen
Weinkrämpfe bekam und der arme Mann keine blasse Ahnung hat, wie er sie
beruhigen soll. Nein, ich muß augenblicklich in die Ryder Street fahren.»
    Während sie
in einer andern Droschke hin und her gerüttelt wurde, verstärkte sich ihre
Überzeugung immer mehr, sie werde in Mr. Allandales Wohnung anlangen und ihn
damit beschäftigt finden, seine vorgebliche Braut zu beruhigen, so daß sie
wieder in recht zuversichtliche Stimmung geriet. Sie glaubte, wenn es ihr
gelänge, Cardross die kleine Schwester mit unbeflekt gutem Ruf zurückzubringen,
sie sehr viel getan haben würde, um ihre eigenen Torheiten und ihre
Verschwendungssucht während der vergangenen Wochen wiedergutzumachen. Als die
Droschke aus der St. James Street in die Ryder Street einbog, sah sie sich
einem unerwarteten Hindernis gegenüber. Denn der Kutscher zügelte sein altes
Pferd, klettert vom Kutschbock und fragte nach der Hausnummer, zu der er sie
bringen sollte. Plötzlich fiel ihr ein, daß sie sie ebensowenig kannte wie der
Kutscher selbst. Und als sie ihn fragte, ob er zufällig einen Mr. Allandale
kenne, sagte er, er gehöre nicht zu denen, die sich über die Namen der Herren
ihres Kundenkreises Gedanken machen, und begann gleichzeitig seinen schönen
Fahrgast mit recht unerwünschtem Interesse zu betrachten. Nell geriet dadurch
etwas aus der Fassung, ja sie hatte sich von dem Moment an, als die Droschke in
die St. James Street einbog, schon ein wenig unsicher gefühlt, da sie alle
Clubfenster erleuchtet gesehen und verschiedene Gentlemen ihres Bekanntenkreises
bemerkt hatte, die das Trottoir entlangschlenderten. Dieser Teil des
fashionablen London, welcher zwischen Pall Mall und Picadilly lag, war fast
ausschließlich den Herren vorbehalten, und es gehörte keineswegs zum guten
Ton, als Dame in diesem Bezirk gesehen zu werden. Fast alle Clubs befanden sich
in der St. James Street; und die Straßen, welche von ihr abzweigten, wimmelten
von Junggesellenquartieren und Spielhöllen. Der Kutscher fragte sich offenbar,
ob er sich im Rang seines Fahrgastes nicht etwa geirrt habe. Nell fühlte sich
ziemlich hilflos und außerordentlich unbehaglich, als sie sich
glücklicherweise erinnerte, daß Mr. Hethersett ebenfalls in der Ryder Street
wohnte und zweifellos imstande wäre, sie zu Mr. Allandales Wohnung zu bringen,
wenn sie das Glück hätte, ihn zu Hause anzutreffen.
    Sie befahl
dem Kutscher daher, sie zu Nummer fünf zu fahren. Es war zwar höchst
unwahrscheinlich, Mr. Hethersett zu Hause zu finden, denn es war bereits acht
Uhr vorbei, doch das Glück begünstigte sie. Als sie in ihrem Retikül ihre
Geldbörse suchte, öffnete sich die Tür von Nummer fünf, und Mr. Hethersett trat
aus dem Haus. Er war sehr elegant gekleidet, mit Kniehosen und
Seidenstrümpfen, einer Weste aus Seidenmoiré, einem Schwalbenschwanzrock und
einer schneeweißen Halsbinde, die man unter dem Namen «Mathematische Krawatte»
kannte. Auf seinen geölten Locken saß, etwas zur Seite gerückt, ein eleganter Chapeau
bras, und

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