Georgette Heyer
bestand, drückte
schwer auf sein Gemüt. Er hatte von allem Anfang gefühlt, wie hoffnungslos
seine Bewerbung war, und es wäre bei weitem klüger gewesen, Letty aus dem Weg
zu gehen und zu versuchen, sich die ganze Sache aus dem Sinn zu schlagen.
Unglücklicherweise hatte Letty für die Tugend edler Entsagung nicht das
geringste übrig. Als er von Trennung sprach, brach sie zuerst in Tränen aus, die
ihn völlig hilflos machten, dann aber beschuldigte sie ihn, er wolle sie
loswerden, was ihn leichtsinnigerweise dazu veranlaßte, Schwüre ewiger Treue
abzulegen. Hierauf wurde nie mehr etwas von Entsagung gesprochen. Gelegentlich
ließ Mr. Allandale eine Bemerkung fallen, man müsse Geduld haben und warten,
aber auch diesem Vorschlag brachte Letty keinerlei Sympathie entgegen. Und da
er sich in seinem ganzen wohlgeordneten Leben noch nie etwas so
leidenschaftlich gewünscht hatte, wie Letty zu heiraten, ließ er sich von ihrem
Optimismus mitreißen und begann sogar zu glauben, Cardross würde sich
vielleicht seiner Bewerbung gegenüber nicht mehr so ablehnend verhalten, wenn
er sich in männlich aufrechter Weise an ihn wandte.
Dieses
keineswegs übermäßig fundierte Vertrauen schwand dahin, als er die Stufen zum
Palais Cardross hinanstieg, und verließ ihn völlig, während er in der
Bibliothek auf den Earl wartete. Obwohl sich seine Erscheinung stets durch
ungemeine Gepflegtheit und einen untadelhaften Geschmack auszeichnete, mit dem
er den goldenen Mittelweg zwischen dem Dandy und dem Diplomaten hielt, hatte
er an diesem Morgen mehr Zeit als üblich für das Arrangement seines Halstuchs
verwendet. Doch als die Minuten verstrichen und die Uhr auf dem hohen Kaminsims
in eher feindseliger Weise tickte, wurde er immer mehr davon überzeugt, daß der
feine Streifen seiner Weste ihn wie einen Tagedieb erscheinen ließ, daß sein
Rock aus unauffälligem blauem Tuch seiner Gestalt zu knapp angepaßt war und er
dadurch, daß er sein mausfarbiges Haar in dem von Brummell kreierten
Brutus-Stil bürstete, einen schweren Fehler begangen hatte. Cardross würde ihn
wahrscheinlich verdächtigen, die Mode der stadtbekannten Dandys nachäffen zu
wollen.
Als der
Earl das Zimmer endlich betrat, schien er die Weste, die zu diesem Zeitpunkt in
Mr. Allandales Vorstellung einer schreienden Vulgarität gleichkam, gar nicht
zu bemerken. Andrerseits ließ sein schönes unbewegtes Antlitz kein Zeichen der
Freude bei seinem Anblick erkennen, und seine Begrüßung war eher höflich als
herzlich. Nachdem Mr. Allandale die plötzliche Einsicht überwunden hatte, daß
sein Besuch bestimmt als Vermessenheit betrachtet würde, eröffnete er die
Unterredung mit einer Steifheit, die durch seinen Entschluß entstanden war,
dem Vormund seiner Sirene gegenüber keine Unterwürfigkeit zu zeigen: «Sie
werden sich fragen, Mylord, warum ich hier bin.»
«Nein»,
sagte der Earl.
Es lag
nichts besonders Entmutigendes in dieser ruhigen Einsilbigkeit, sie warf Mr.
Allandale aber völlig aus dem Konzept. Er mußte seine sorgfältig vorbereitete
Einleitungsrede einfach streichen, und es gelang ihm nicht sogleich, sich zu
entscheiden, was er statt dessen sagen sollte.
«Bitte,
nehmen Sie Platz, Mr. Allandale», lud ihn Lord Cardross ein, während er auf
einen Stuhl zuschritt.
Mr.
Allandale zögerte. Er hätte es bei weitem vorgezogen, stehenzubleiben, doch
das war unmöglich, da sich der Earl behaglich niederließ, die von eleganten
Stulpenstiefeln umschlossenen Beine kreuzte und jetzt sogar ein Monokel an sein
Auge hob. Mr. Allandale nahm Platz und räusperte sich. «Ich werde mich kurz
fassen», erklärte er. «Ich glaube, es kann Eurer Lordschaft nicht verborgen geblieben
sein, daß ich so glücklich war, das Interesse von Lady Letitia Merion zu
gewinnen.»
Ein
amüsierter Blick blitzte flüchtig in den Augen des Earl auf. «Ich sehe ein, daß
die Gewalt dieser beiderseitigen Liebe das härteste Herz erweichen müßte.
Leider besteht das meine – wie man mir versicherte – aus Marmor.»
Errötend
erwiderte Mr. Allandale: «Ich bin mir völlig bewußt, Mylord, daß Ihnen die
Zuneigung, die ich für Lady Letitia empfinde, als die Ausgeburt anmaßendster
Phantasie erscheinen muß.»
«O nein»,
sagte Cardross. «Ich bin keineswegs so hochmütig, wie Sie anzunehmen scheinen.
Ich leugne nicht, daß ich es lieber sähe, wenn sie eine Ehe schlösse, die man
in unserer Welt als erstrebenswerte Heirat bezeichnet. Ich versichere Ihnen
jedoch, falls Ihre
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