Georgette Heyer
Vergnügen.»
Die
unvermeidliche Folge von Lettys ungeheurer Erleichterung war es, daß sie mit
unterdrückter Stimme wütend sagte: «Idiot!»
«Keineswegs»,
sagte der Viscount, der es dennoch gehört hatte. «Doch wenn wir schon von
Idioten sprechen ...»
«Ich finde
Sie verabscheuungswürdig! Sie haben Ihre Verabredung mit Nell nicht
eingehalten, und zwar in der ungezogensten Weise, nur damit Sie ihr diesen
widerwärtigen Streich spielen und uns nur so zum Zeitvertreib zu Tode ängstigen
können! Ein schöner Zeitvertreib!»
«Was Sie
für ein feiges Geschöpf sind!» bemerkte Seine Lordschaft zornig. «Zu Tode
geängstigt! Was Sie nicht sagen! Bei Gott! Nell ist mehr wert als ein Dutzend
von Ihnen. Nur hat sie leider mehr Haare als Verstand. Natürlich geschah es
nicht bloß zum Zeitvertreib. Ich hatte einen verteufelt guten Grund. Aber man
könnte ebensogut versuchen, einen Mohren weißzuwaschen, als sich vorzunehmen,
einer Frau aus der Klemme zu helfen.»
Letty wurde
durch diese rätselhafte Äußerung dermaßen neugierig, daß ihr Zorn einer äußerst
lebhaften Wißbegierde wich. «Was meinen Sie damit? Wer befindet sich in einer
Klemme? Etwa Nell? Aber wieso ... oh, sagen Sie's mir! Es tut mir leid, daß
ich mit Ihnen so böse war, aber wie konnte ich ahnen, daß es eine Verschwörung
ist, wenn mir niemand etwas sagt?»
«Fragen Sie
Nell», empfahl Dysart. «Und wenn ihr nicht zu spät kommen wollt, wäre es am
besten, wenn ihr euch auf den Weg machtet. Ich komme euch unverzüglich nach.»
«Dysart»,
rief Nell verzweifelt. «Es muß nahezu elf Uhr sein. Wie willst du uns denn
nachkommen? Du kannst den Maskenball doch nicht im Reitanzug besuchen! Und bis
du aus der Stadt zurückkommst und ...»
«Nur ruhig,
kein Grund zur Aufregung», bat Dysart. «Ich reite nicht nach London zurück. Du
mußt mich ja für einen Vollidioten halten.»
«Ja, das tue ich auch», warf sie
lachend ein.
«Nun, darin
irrst du eben gewaltig», sagte er streng. «Meine ganze Maskerade wartet hier im
Goldenen Löwen auf mich. Außerdem habe ich eine Chaise gemietet, die mich zum
Brent House bringt. Wenn ich aber bedenke, daß ich noch nie im Leben etwas
derart sorgfältig plante, nur damit alles über den Haufen geworfen wird, weil
du beweisen mußt, wie klug du bist, indem du herausplatzt, daß du mich erkannt
hast, hätte ich verwünscht gute Lust, mit der ganzen Sache nichts mehr zu tun
zu haben.»
«Du guter
Gott! Lieber Junge, etwas Derartiges darfst du nicht sagen», vermittelte Mr.
Fancot empört. «Ich weiß, daß du es nicht so meinst, wenn dich aber jemand
anderer hört ...»
«Ach, hier
ist niemand, der mich hören könnte», sagte der Viscount gereizt und schritt
wütend dem Platz zu, an dem der Groom sein Pferd hielt.
Mr. Fancot,
der fühlte, es gezieme sich, an seiner Stelle Entschuldigungen vorzubringen,
ritt dicht an den Wagen heran, verbeugte sich nochmals vor den nur undeutlich
wahrnehmbaren Damen und sagte vertraulich: «Wenn er zornig ist, meint er nicht,
was er sagt – aber das brauche ich Ihnen ja nicht erst zu erklären. Ich kenne
Dy – und Sie kennen Dy. Dann ist er nämlich unbeugsam.»
«Mr.
Fancot», sagte Nell, ihre Demütigung überwindend, «ich bin überzeugt, ich muß
Sie nicht erst darum bitten, keinem Menschen zu verraten, warum mich Dysart
heute abend zu überfallen versuchte.»
«Ich würde
nicht im Traum daran denken», versicherte ihr Mr. Fancot feierlich. «Keine
tausend Pferde könnten es mir entreißen! Es ist aber nur selbstverständlich,
weil ich es, wenn ich es genau bedenke, überhaupt nicht weiß.»
«Sie wissen
es nicht?» wiederholte Nell ungläubig.
«Vergaß,
ihn zu fragen», erklärte er. «Das heißt, ich wollte sagen – es geht mich nichts
an. Dy sagte: Komm und hilf mir, die Equipage meiner Schwester zu überfallen!
Und ich sagte: Gemacht! oder so ähnlich. Konnte nichts anderes sagen. Wäre
verwünscht neugierig, ihn um den Grund zu fragen, verstehen Sie?»
In diesem
Augenblick rief ihn Dysart ungeduldig, er verbeugte sich daher und ritt davon.
Nell sank in ihre Wagenecke zurück und rief: «Dem Himmel sei Dank! Ich war
einer Ohnmacht nahe!» Sie bemerkte jetzt den Lakai, der ihre Befehle erwartete,
und sagte hastig: «Bitte, sagen Sie James, er soll weiterfahren. Seine
Lordschaft hatte sich einen... einen Scherz ausgedacht.»
«Ich
glaube, er wird denken, Seine Lordschaft ist verrückt geworden», bemerkte
Letty, als sich der Wagen in Bewegung setzte.
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