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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lady April
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«Du läßt es an den primitivsten Manieren fehlen. Wäre
Mr. Allandale anwesend, dann würdest du dich bestimmt nicht so unbeherrscht
aufführen.»
    «Der liebe Jeremy! Nein, da hast du recht. Denn statt dessen würde ich mit ihm
entsetzlich flirten. Aber da er nicht hier ist, habe ich nicht die Absicht,
mich bei einer so amüsanten Party mit einer Trauermiene nach ihm zu verzehren,
da kannst du Gift darauf nehmen. Ich finde, es ist ein hervorragend gelungenes
Fest, du nicht?»
    Es war
zwecklos, ihr weitere Vorstellungen zu machen, und ebenso zwecklos zu hoffen,
daß man Letty nicht erkennen werde. Um Mitternacht fand die allgemeine
Demaskierung statt, und die mißbilligenden Augen würden feststellen, daß das
leichtsinnige Mädchen in dem schimmernden Domino und der paillettenübersäten
Toilette niemand anderer war als Cardross' kleine Halbschwester. Ihre große
Jugend und ihre angeborene flatterhafte Veranlagung verleiteten Letty, sich
durch ihre Erregung zu einem Betragen hinreißen zu lassen, das die noch
erlaubten Grenzen weit überstieg. Der schädliche Einfluß des Aufenthaltes im
Hause ihrer Tante hatte sich vorher nie so klar erwiesen. Sie hatte weder
Belehrungen empfangen noch ein Vorbild gehabt, dem sie folgen konnte, da ihre
Tante ebenso indolent wie leichtsinnig und ihre Cousinen
überdreiste junge Mädchen waren, welche nichts andres im Kopfe hatten als ihren
Toilettenkram und ihre Flirts.
    Nachdem
Nell unter den anwesenden unmaskierten Gardedamen Lady Chudleigh entdeckt
hatte, bereitete sie sich auf die unvermeidliche strenge Kritik vor, welche an
ihr zu üben die fürchterlichste aller Tanten ihres Gatten für ihre Pflicht
halten würde. In diesem Fall war Lady Chudleigh jedoch überraschend gnädig. Sie
verurteilte zwar die Paillettentoilette und dankte Gott, keinen Grund zu
haben, ihrer eigenen Tochter wegen erröten zu müssen, sagte jedoch nicht, daß
sie Nell für Lettys Mangel an gutem Benehmen die Schuld gebe.
    «Es ist
bedauerlich, meine liebe Helen, daß Letitia sich an dir kein Beispiel nimmt»,
sagte sie majestätisch. «Ich will nicht leugnen, daß ich damals, als Cardross
um dich anhielt, glaubte, er habe einen schweren Fehler begangen. Ich sage
nämlich immer das, was ich mir denke. Daher sagte ich ihm auch damals, daß es
für ihn richtiger wäre, eine Verbindung mit einer Dame einzugehen, die ihm im
Alter näherstünde. Doch ich muß zugeben, und zögere nicht, es zu tun, daß du
mich angenehm überrascht hast. Es ist sehr betrüblich, daß Letitia weder über
deinen Takt noch über deinen ausgezeichneten Geschmack verfügt.»
    Mit diesen
beifälligen Worten begab sie sich weiter, was sich sehr gut traf, denn Nell
wußte darauf nichts zu erwidern. Ihre Tochter, ein ziemlich eckiges Mädchen,
von ihrem Cousin Felix unfreundlicherweise als «Antidot» bezeichnet, blieb
noch bei ihr stehen und sagte: «Ich bin sprachlos, daß Mama dir das alles
sagte! Es kommt nämlich nicht oft vor, daß sie jemanden lobt, das kann ich dir
verraten, Cousine Helen.»
    Die Art, in
der sie ihre Cousine fast beglückwünschte, war für Nell zuviel. Sie sagte
ungewöhnlich schroff: «Ich bin davon durchdrungen, daß ich ihr dafür ungemein
dankbar sein sollte.»
    «Ich wußte,
daß du es so auffassen würdest. Und weißt du was? Sie sagte erst gestern zu
mir, daß du eine sehr wohlerzogene junge Dame bist! Nun, was sagst du jetzt?!!»
    «Tatsächlich?
Wiederhole nur nicht noch mehr von diesen Komplimenten, sonst könnte ich noch
eingebildet werden.»
    Miss
Chudleigh kicherte. «Genau das sagte auch Mama. Ich meine, sie sagte, es sei
ein Wunder, daß dir die vielen Komplimente, die du erhältst, den Kopf noch
nicht verdreht haben. Ich erwartete allerdings mit Sicherheit, sie würde dich
dafür tadeln, daß du Letty erlaubst, eine so indezente Toilette zu tragen. Ich
verstehe nicht, wie man sie ohne zu erröten tragen kann. Ich könnte es bestimmt
nicht!»
    «Nein. Und
ich muß zugeben, es wäre sehr unklug von dir, auch nur den Versuch zu machen,
etwas in diesem Stil zu tragen», erwiderte die wohlerzogene Lady Cardross
unverzüglich. «Aber weißt du, bei Letty ist das etwas anderes. Sie hat eine so
vollendet gute Gestalt, daß sie einfach alles
tragen kann. Ich für mein Teil habe sie noch nie so blendend schön gesehen.»
    «Und ich
hoffe, sie erzählt ihrer abscheulichen Mutter meine Äußerungen weiter», sagte
Nell, als sie Letty später von diesem Wortwechsel berichtete.
    «Oh, das
wäre fein!» rief

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