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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Junggesellentage
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den armen kleinen Teufeln wird, noch
viel weniger würden sie ein Vermögen verschwenden, sie unterzubringen, sie zu
ernähren und zu erziehen. Natürlich können Sie sagen, er hätte so viel Geld,
daß das keine Rolle spielt ...»
    Miss Trent
fühlte, daß sie am Rande eines hysterischen Ausbruches war, und unterbrach ihn:
«Mein lieber Lord Lindeth, ich versichere Ihnen, daß Sie nicht mehr das
geringste sagen müssen! Ich nehme an, daß Sie und Sir Waldo Yorkshire bald
verlassen werden?»
    Er zögerte,
ehe er sagte: «Ich glaube – ich bin nicht ganz sicher. Natürlich muß ich wieder
nach Hause, aber ich hoffe, wieder nach Yorkshire zu kommen, sobald – nun,
bald.»
    «Jedenfalls
nächsten Monat, zu den Yorkshire-Rennen!» warf sie ein. «Ich nehme an, Sie
haben sie regelmäßig besucht. Für mich wird es das erste Mal sein, daß ich
Gelegenheit dazu habe. Mrs. Underhill beabsichtigt, zu diesem Anlaß eine Party
zu geben.»
    Er nahm den
Themenwechsel gerne auf, und für den Rest der kurzen Fahrt gab es nur harmloses
Geplauder, an dem Seine Lordschaft den Hauptanteil hatte. Er wollte in Staples
einfahren, aber Miss Trent wehrte ab. Wenn er sie nur am Tor absetze, wolle sie
gerne die Straße zum Haus gehen. Sie beherrschte Stimme und Haltung derart, daß
ihn die geheime Angst, mit seiner indiskreten Zunge Unheil angestiftet zu
haben, bald verließ. Mit einem fröhlichen Schwenken seines Biberhutes fuhr er
weiter.
    Sie ging
die Straße hinauf und hielt sich an den Gehweg mehr aus Instinkt als mit dem
Blick, der blind in die Ferne gerichtet war. Schwer hing der leere Korb an
ihrem Arm. Wirre Gedanken schwirrten durch ihren Kopf. Ehe sie sich von dem
Schock, den Lindeth' unverblümte Enthüllung ihr bereitet hatte, würde erholen
können, brauchte sie Ruhe und Einsamkeit.
    Sie wurden
ihr gnädig zuteil. Als sie das Haus betrat, lag es in ungewohnter Stille da.
Tiffany und Courtenay waren von ihrem Ritt noch nicht heimgekehrt, und die
Dienerschaft hatte sich, mit dem Räumen und Fegen fertig, in den Gesindetrakt
zurückgezogen. Niemand bemerkte ihre Rückkehr und niemand störte sie, als sie
das Refugium ihres Schlafzimmers aufsuchte. Sie knüpfte die Schleifen ihrer
Haube auf und glättete sie mechanisch, ehe sie sie in das Schranc f ach
zurücklegte. Nun erst wurde sie sich des Zitterns ihrer Beine bewußt; sie ließ
sich vor dem Toilettenschrank niederfallen, und ihr Kopf sank auf die Ellbogen.
Sie hatte nicht gewußt, daß ein Schock die unangenehme Erinnerung an eine
fiebrige Krankheit, die sie vor Jahren hatte, wachrufen konnte.
    Es dauerte
lange, ehe sie ihre Gedanken ordnete, aber sie konnte sich nur schwer an das
Vergangene erinnern. Vielleicht war es sinnlos, sich alles, was der
Unvergleichliche zu ihr gesagt und alles, was er getan hatte, in Erinnerung zu
rufen – aber sie mußte es tun. So viele seiner Worte erhielten jetzt eine neue
Bedeutung! Er wollte ihr einen gewissen Vorschlag unterbreiten – er hatte die
Absicht, ihr gegenüber sein Herz zu erleichtern – er wußte, daß er das
Mißfallen seiner Nachbarn erregen werde, aber er hoffte, daß ihre Stimme nicht
den Chor des Mißfallens verstärken werde, sie sei zu freisinnig ... Sie konnte
sich in ihrer Verzweiflung nicht vorstellen, was sie gesagt oder getan hatte,
das ihn – und auch Lindeth – zu einer so falschen Einschätzung ihres Charakters
bestimmt haben mochte.
    Ihre erste
Eingebung war, die Enthüllung, daß Sir Waldo ein hartgesottener Wüstling war,
von sich zu weisen. Auch als sie ruhiger wurde und ihr Denken die Oberhand über
ihr Fühlen gewann, hielt sie – gegen alle Vernunft – an der Überzeugung fest,
daß das alles nicht wahr sein konnte. Hätte ein anderer als Lindeth ihr
erzählt, daß Sir Waldo zahlreiche Kinder ohne ehrlichen Namen habe, sie hätte
die Geschichte nicht einen Augenblick lang geglaubt. Aber Lindeth würde seinen
Cousin niemals verleumden, und was er sagte, konnte nicht achtlos beiseite
geschoben werde. Sie war nur sehr erstaunt, daß er so leichthin davon sprach,
denn sie konnte nicht zweifeln, daß er ein junger Mann mit strengen Grundsätzen
war. Dann fiel ihr ein, was Mrs. Chartley zu ihr gesagt hatte, Worte, die im
Zusammenhang mit Lindeth' Bericht schwer wogen. Die Vorstellung, was eine so
strenge und aufrechte Frau mit dem Ausdruck «Abenteuer» gemeint hatte, war
schrecklich! Sie kannte die Wahrheit, aber sie dachte deshalb offensichtlich
nicht schlechter von Sir Waldo. Sie warnte nicht, um eine

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