Georgette Heyer
Patience war
auch nicht gekommen, auch sie hatte eine ältere Verpflichtung. Es muß wohl so
gewesen sein, daß Lindeth im Pfarrhaus eingeladen war. Denn Arthur Mickleby und
seine Schwestern waren in Colby Place und Sophie und Jack Banningham, ebenso
die Ash-Jugend – wohin wäre Lindeth also gegangen, wenn nicht in die Rektorei?
Klar wie Quellwasser! Aber was tat Mary Mickleby? Nein, es war Jane Mickleby
(und das sieht ihr ähnlich) – nun, sie sagte mit ihrem dummen Kichern, daß
niemand erraten würde, warum Lindeth und Patience, beide am selben Abend,
vergeben waren. Und wenn Sie mich fragen», schloß Courtenay in sehr
aufrichtigem Ton, «sie hat das nicht nur
gesagt, um Tiffany eins zu versetzen, sondern weil sie fuchsteufelswild ist,
daß Lindeth ihr nie die geringste Aufmerksamkeit schenkte. Nun, wie dem immer,
Sie hätten Tiffanys Gesicht sehen sollen!»
«Zum Glück
habe ich es nicht gesehen», antwortete Miss Trent.
Er
kicherte. «Ja, Glück haben Sie gehabt! Wie dumm sie doch ist, bei Gott! Sie
hatte nie den geringsten Verdacht, daß Lindeth eine Schwäche für Patience hat.
Ich muß sagen, eigentlich tat sie mir leid.»
«Das ist
nett von Ihnen», sagte Miss Trent höflich.
«Das ist es
auch», stimmte Courtenay bei, «denn ich mag sie nicht, mochte sie nie. Aber
schließlich ist sie meine Cousine, und ich habe sie noch immer lieber zur
Cousine als so ein Brechmittel wie Jane Mickleby.» Er schwieg, um eine riesige
Quantität Schinken aufzuspießen, und als die Gabel schon unterwegs zu seinem
Mund war, fügte er in wichtigem Ton hinzu: «Aber das ist noch nicht alles!»
Miss Trents
Herz sank tiefer, und ängstlich wartete sie, bis Courtenay den gigantischen
Bissen zerkaut hatte.
«Arthur»,
sagte er breit und spülte den Schinken mit einem kräftigen Schluck Kaffee
hinunter, «war sehr kühl gegen sie.» Er reichte die Tasse Miss Trent, damit sie
sie wieder fülle.
«Kein
Wunder; sie sprach von seinen Schwestern nicht so, wie es sich gehört», warf
Miss Trent ein.
«Das weiß
ich; aber ich glaube, es steckt mehr dahinter. Mir scheint–nun, Sie wissen, wie
lächerlich er und Jack und Greg sich wegen dieses Mädchens gemacht haben, Ma'am!»
«Ja.»
«Nun,
vielleicht irre ich mich – aber ich bin sicher, Jack wird es mir erzählen,
selbst wenn Greg nichts sagen will. Sie waren nicht gerade unhöflich oder –
oder – Mir kam bloß vor, daß sie alle nicht sehr aufmerksam gegen sie waren.
Das ist gut, denn ...» sagte Courtenay, während er sich anschickte, einen
Pfannkuchen zwischen seinen Zähnen verschwinden zu lassen, «sie begann bereits
schrecklich langweilig zu werden.»
Miss Trent
konnte seine Befriedigung nicht teilen. Da sie ebensowenig wie er wußte, warum
Tiffanys Verehrer sich plötzlich so abkühlten, hoffte sie, daß er sich irre
oder daß die schlechtbehandelten jungen Leute ihre Taktik, Tiffanys Zuneigung
zu erringen, geändert hätten.
«War Mr.
Calver anwesend?»
«Nein, er
war aber auch nicht eingeladen. Sir Ralph kann ihn nicht ausstehen, er sagt, er
wolle keine Modefexen in Colby Place herumlaufen sehen.»
In dunkler
Vorahnung ging Miss Trent hinauf, um Tiffany zu besuchen. Noch nie hatte die
schöne Erbin eine Zurückweisung erfahren, und Miss Trent konnte sich nur
schaudernd die Wirkung ausmalen. Sie fand Tiffany, nur teilweise bekleidet, an
ihrem Toilettentisch, während ihr Mädchen die glänzenden schwarzen Locken
bürstete. Der vergangene Abend wurde nicht erwähnt. Tiffany klagte bloß über
eine schlaflose Nacht, Kopfschmerzen und unerträgliche Langeweile.
«Ich möchte
zurück nach London», sagte sie. «Ich hasse Yorkshire. Ich möchte viel lieber
mit den Burfords leben als in dem schäbigen, langweiligen, schrecklichen
Staples.»
Miss Trent
fand es unnötig, sie daran zu erinnern, daß die Burfords im Juli kaum in
Portland Place zu finden wären, oder daß sie kein Verlangen geäußert hatten,
die Nichte zurückzunehmen. Dagegen erinnerte sie Tiffany, daß sie sich doch
auf die Party bei den Ashes freuen könne und auf die bevorstehenden Rennen in
York. Tiffany leugnete jedes Interesse an diesen Ereignissen. Nach einigen
weiteren erfolglosen Schachzügen verließ Miss Trent ihre Schutzbefohlene und
hoffte, daß im Laufe des Tages einer der Bewunderer auftauchen und die
unzufriedene Schöne wieder in bessere Laune versetzen werde.
Am Fuß der
Treppe traf sie Totton, der ihr mitteilte, daß Sir Waldo gekommen sei, um sich
nach den neuesten Nachrichten
Weitere Kostenlose Bücher