Georgette Heyer
«Bist du sehr beschäftigt, Waldo? Wenn das nicht der Fall
ist, möchte ich dir etwas sagen – aber nicht, wenn ich dich störe», fügte er
schnell hinzu, als er die Falte auf Sir Waldos Stirn bemerkte.
Waldo
unterdrückte die Absicht, Lord Lindeth zu sagen, wie ganz besonders störend er
wirke, und sagte: «Nein, ich bin nicht beschäftigt. Komm, setz dich und
erzähle, was es gibt!»
Der Ton war
ermutigend und noch mehr das leichte Lächeln. Lord Lindeth wurde ein wenig rot,
sagte aber schlicht: «Ich glaube – du weißt es.»
«Nun, ich
habe eine leise Ahnung.»
«Ich dachte
es mir. Du hast es wahrscheinlich erraten, aber ich möchte es dir sagen – und
ich möchte dich um Rat fragen.»
«Mich um
Rat fragen?» Sir Waldo hob die Brauen. «Guter Gott, Julian, wenn du meinen Rat
brauchst, ob du Miss Chartley einen Heiratsantrag machen sollst oder nicht,
kann ich nur sagen, daß meine Meinung oder mein Rat völlig irrelevant ...»
«Oh, nicht das», unterbrach ihn Julian ungeduldig. «Ich hoffe, daß ich auch ohne Rat weiß,
was ich zu tun habe. Was deine Meinung betrifft ...» er hielt inne, dachte nach
und sagte mit einem entwaffnenden, um Entschuldigung bittenden Lächeln: «Sie
beeinflußt mich, aber nicht sehr.»
«Sehr
richtig – und aufrichtig!»
«Jetzt
ziehst du mich auf! Tue das bitte nicht – es ist sehr ernst.»
«Ich ziehe
dich nicht auf. Also: warum brauchst du meinen Rat?»
«Nun ...»
Julian faltete die Hände zwischen seinen Knien und betrachtete sie sinnend.
«Die Sache ist die, Waldo: als wir hierherkamen, errietest du, wenn ich es dir
nicht selbst sagte, daß ich in Miss Wield ziemlich vernarrt war.» Er blickte
auf, ein schelmisches Lächeln spielte um seinen Mund. «Du wirst sagen, ich habe
mich lächerlich gemacht – und ich glaube, das stimmte auch.»
«Nicht so
lächerlich, daß du um ihre Hand angehalten hättest!»
Julian
blickte ihn in höchster Überraschung an. «Weißt du, Waldo, ich habe nie ans
Heiraten gedacht», sagte er naiv. «Ich habe es nie in Betracht gezogen. Ich
habe erst ans Heiraten gedacht, als ich Miss Chartley kennenlernte. Ich habe
überhaupt nie an die Zukunft gedacht. Aber seit ich Patience näher kenne,
möchte ich den Rest meines Lebens mit ihr verbringen. Und das werde ich auch
tun!» sagte er mit fester Stimme.
«Meinen
Segen hast du! Sie wird dir eine ausgezeichnete Gattin sein. Aber wozu
benötigst du wirklich meinen Rat? Oder willst du mich nur einwickeln, damit ich
deiner Mutter die Nachricht bringe?»
«Nein.
Natürlich werde ich es ihr selbst sagen. Aber es wäre eine Hilfe, wenn du mich
unterstütztest», sagte er nach einem Augenblick des Nachdenkens.
«Das werde
ich tun!»
Julian
blickte ihn dankbar an. «Waldo, ich weiß, auf dich kann man bauen!»
«Bringe
mich nicht zum Erröten! Und welchen Rat willst du von mir?»
«Es gibt
etwas, das mir Sorge macht. Es handelt sich um folgendes: Obwohl die Chartleys
so freundlich und umgänglich waren, wie sie nur sein konnten – kein Abwinken
oder dergleichen –, bin ich mir nicht im klaren, ob
es nicht zu früh ist, den Rektor um die Erlaubnis zu bitten, seiner Tochter
einen Antrag machen zu dürfen. Ich fürchte, daß er vielleicht glaubt, es wäre
nur ein Strohfeuer; nach meinem Tändeln mit Miss Wield müßte er mich eigentlich
wegschicken – und das wäre mein letzter Tag.»
«Ich glaube
nicht, daß er dich so strenge beurteilen wird», antwortete Sir Waldo mit
bewundernswertem Ernst. «Schließlich hast du dich ja nicht an Tiffany gebunden
– oder –?»
«O nein!»
versicherte ihm Julian. «Nichts dergleichen. Tatsächlich war sie es, die mir
nach den Vorfällen in Leeds die kalte Schulter gezeigt hat, so daß ich nicht
glaube, in irgendeiner Form an sie gebunden zu sein. Glaubst du nicht auch?» Er
kicherte. «Laurie hat sie mir ausgespannt – ich war noch nie über etwas
froher! Das wundert dich, nicht wahr? Zu denken, daß ich Laurie dankbar sein
muß! Herrgott! Aber sag mir, Waldo, was soll ich tun?»
Sir Waldo,
dessen private Meinung war, daß der Rektor Lord Lindeth' Antrag stündlich
erwarten mußte, zögerte nicht, die Frage zu beantworten. Er empfahl seinem ängstlichen
jungen Cousin, bei der nächsten Gelegenheit seine Absicht kundzutun und einen
formellen Antrag zu machen, und den Rektor, falls dieser befürchte, der Freier
seiner Tochter könnte ein hartgesottener Roué sein, des Gegenteils zu
versichern. Diese Aufmunterung bewirkte ein beifälliges Grinsen
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