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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Junggesellentage
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freundliche Dame, aber mit sehr strengen Ansichten über
Schicklichkeit. Ancilla war froh, als Charlotte von Miss Jane Chartley, ihrer
Freundin und Altersgenossin, die gerade die Treppe herunterkam,
mit Beschlag belegt wurde. Kein Zweifel, das Schulzimmer des Pfarrhauses würde
nun von Charlottes Meinung über den Unvergleichlichen erschallen, aber ihre
Gouvernante würde sich wenigstens
über den Redeschwall und Mangel an Zurückhaltung nicht schämen müssen.
    Als Miss
Trent in das Wohnzimmer geleitet wurde, fand sie Patience allein. Das Mädchen
war eben damit beschäftigt, ein Wäschestück mit zierlichen Stichen zu säumen,
und legte die Arbeit beiseite, als Ancilla eintrat. Sie war nicht weniger
begierig als Charlotte, über den Unvergleichlichen zu sprechen, da sie aber
sehr wohlerzogen war, zeigte sie sich weniger hastig und redete ungefähr fünf
Minuten lang von anderen Dingen, ehe sie sagte: «Miss Trent, ich muß Ihnen
erzählen, daß wir heute schon einen sehr interessanten Besuch hatten. Papa hat
ihm die Kirche gezeigt. Sind Sie ihm begegnet?»
    «Sir Waldo?
Ja, wir sind ihm begegnet, wir sind sogar miteinander zurückgegangen und haben
uns am Gittertor verabschiedet. Ihr Vater ging dann mit ihm zu den Ställen.»
    «Ja, er kam
herüber, um Papa zu besuchen. Papa hat ihn Mama und mir vorgestellt, und er hat
eine ganze halbe Stunde mit uns verbracht. Wie gefällt er Ihnen? Haben Sie sich
ihn anders vorgestellt? Ich gestehe, ich wohl, und auch Mama, glaube ich. Alle
Herren haben so viel darüber gesprochen, daß er ein prominenter Korinthier ist,
da hab ich ihn mir ganz anders vorgestellt – obwohl ich natürlich noch nie
einen Korinthier gesehen habe. Ich nehme an, Sie kennen Korinthier – sind sie
alle so? Glauben Sie wirklich, daß er einer ist?»
    «Zweifellos
ist er einer, sogar ein sehr berühmter. Ob alle Korinthier so sind wie er, kann
ich Ihnen wirklich nicht sagen, ich war nie mit einem näher bekannt.»
    Patience
sagte schüchtern: «Ich nehme an, Sie haben für diese Leute nichts übrig, und
ich muß sagen, ich konnte mir nie vorstellen, daß ich für sie etwas übrig haben
könnte; man hört doch solche Dinge über sie! Er ist aber gar nicht so, wie ich
sie mir vorgestellt habe. Nicht stolz, oder, wie Dick sagt, ein < forscher
Bursche > . Er war so einfach und natürlich und er wußte so vieles; und er sah
die Dinge so richtig! Papa freute sich sehr, Zustimmung zu finden, als er über
die Not der Armen sprach. Wie gefällter Ihnen?»
    «Oh, ein
Brillant von reinstem Wasser!» erwiderte Miss Trent aufreizend. «Seine
Erscheinung elegant-modisch, seine Manieren verfeinert, seine Sprache
Vollendung!»
    Patience
blickte sie an: «Ihnen gefällter nicht?»
    «Im
Gegenteil, ich fand ihn liebenswürdig.»
    «Ach, das
heißt, daß Sie seine Manieren liebenswürdig fanden, nicht aber sein Wesen?»
    «Meine
liebe Miss Chartley, ich weiß nichts über sein Wesen.»
    «Nein –
aber – oh, ich glaube, ich muß Ihnen etwas erzählen. Es ist sicher
nicht falsch, wenn ich es tue. Sir Waldo hat die Sache nicht einmal Papa
gegenüber erwähnt, und er hätte es sicher nicht gerne, daß man es weiß: er
sagte zu Mrs. Wedmore, daß Mr. Calver ihn privat ersucht habe, für die alten
Diener zu sorgen, sobald die Verlassenschaft abgewickelt ist. Papa kann nicht
glauben, daß Mr. Calver etwas Derartiges verfügt hat! Die Wedmores werden jetzt
eine Pension bekommen, die ihnen ein sorgenfreies Alter sichert, was sie nie
erhoffen konnten. Mrs. Wedmore hat es gestern unserer Honeywick erzählt. Sie
können sich denken, wie dankbar, wie gerührt sie war.»
    «Wirklich,
ich freue mich, daß Sir Waldo getan hat, was er tun sollte!»
    «Ja,
natürlich hat man erwartet, daß er etwas tun werde. Gewiß können Sie sagen, er
sei so reich, daß es für ihn nicht mehr bedeutet, als wenn ich einem Bettler
einen Penny gebe. Aber was mir so gefällt, ist die Art, wie er es getan hat.
Mit soviel Takt! Und wenn man bedenkt, wie die Gefühle der zwei treuen Diener gewesen
wären, hätten sie entdeckt, wie wenig ihre Dienste geschätzt worden waren!»
    Ancilla
mußte zustimmen, meinte aber neckend: «Ihr Herz hat er gewonnen. Er hat
eine gute Nachrede.»
    «O nein»,
rief Patience erschrocken. «Wie können Sie – Sie machen Spaß! Ich hoffe, mein
Herz kann nicht so leicht gewonnen werden.»
    Ancilla
lächelte freundlich. «Das hoffe ich auch – und gewiß nicht von einem
Korinthier! Nun, schauen Sie nicht so verzweifelt drein!

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