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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Junggesellentage
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reizender Zögling von Eigennutz
beherrscht war. Vielleicht würde ihre Natur sich ändern, wenn sie sich einmal
richtig verliebte? Jetzt aber konnte eine gewissenhafte Lehrerin nichts anderes
tun, als ihr beibringen, daß gute Manieren für den gesellschaftlichen Erfolg ebenso
notwendig seien wie ein hübsches Gesicht, und sie davon abzuhalten, die Grenzen
des Schicklichen zu überschreiten und mit jedem zu schelten, wenn etwas nicht
nach ihrem Willen ging.
    Als Tiffany
(wie Miss Trent vorausgesehen hatte) wütend in das Schulzimmer kam, um sich
über Mrs. Micklebys unverschämtes Benehmen zu beklagen, hörte sie ihr mit dem
Ausdruck großen Erstaunens zu und rief: «Aber, guter Gott! – Tiffany, du wirst
mir doch nicht erzählen, daß du zu dieser Party gehen wolltest? Das kann nicht
dein Ernst sein!»
    Tiffany
atmete schwer, heftete aber einen neugierig fragenden Blick auf Miss Trent.
«Wie meinen Sie das?»
    Miss Trent
hob die Brauen und sagte ungläubig: «Du in einem solchen abgeschmackten
Gedränge? Oh, meine Liebe, wie ungehörig von mir, so etwas zu sagen! Charlotte,
sitz nicht mit offenem Mund da! Du hast nichts gehört – und wenn du es wagst,
zu wiederholen, was ich gesagt habe, treibe ich dich über eine Weide voller
Kühe!»
    Charlotte
kicherte, aber Tiffany stampfte ärgerlich mit dem Fuß. «Es handelt sich um eine
Party für Sir Waldo und seinen Cousin, und jeder wird dort sein!»
    «Richtig!
Nun, friß mich nicht gleich auf, aber ich muß leider sagen, das ist wirklich
nicht eine Party, auf der ich erscheinen wollte. Du wärest die jüngste der
Damen, und du kannst dich darauf verlassen, daß Mrs. Mickleby – wenn sie dich
gebeten hätte – dir deinen Platz so weit entfernt wie möglich von ihren
vornehmen Gästen angewiesen hätte. Ich kann mir vorstellen, daß du Humphrey
Colebatch, den armen Jungen mit der schweren Zunge, als Tischherrn bekommen
hättest. Außerdem – was man natürlich nicht erwägen sollte – könntest du nicht
das Kleid tragen, was dir am besten steht – ich meine das mit den Schleifen und
Bändern in der Farbe deiner Augen.»
    «Doch, das
könnte ich!»
    «Nicht in
Mrs. Micklebys Salon», sagte Ancilla. «Denke doch an die grünen Vorhänge und
Sesselbezüge! Aller Effekt wäre verdorben!»
    Tiffany
wurde nachdenklich, sagte aber mit leichtem Schmollen: «Ja, aber ich sehe nicht
ein, warum Mary Mickleby oder Sophia Banningham auf der Party sein dürfen, und
ich nicht. Sie sind auch noch nicht offiziell bei Hof vorgestellt – zumindest
hatten sie noch keine Saison in London.»
    «Nein, aber
ich könnte wetten, daß Mrs. Mickleby nur darauf wartet, bis das Dinner vorüber
ist, um die Jugend in den Damensalon zu verfrachten, damit sie dort
Gesellschaftsspiele oder was Ähnliches spielt. Du weißt, daß auch nicht getanzt
wird, bloß geplaudert, und von den Herren ein bißchen Whist gespielt wird.»
    «Nein, wie
schäbig! Glauben Sie wirklich, daß es so sein wird? Sir Waldo und sein Cousin
werden sich langweilen!»
    «Zweifellos
werden sie das. Aber wie angenehm wird dafür die Überraschung sein, wenn sie
zur Party deiner Tante kommen werden!»
    «Das ist
wahr!» rief Tiffany mit strahlenden Augen.
    «Sir
Waldo!» rief Charlotte verächtlich. «Ich halte das für so dumm, jeder ist
verrückt nach ihm, außer Miss Trent und mir! Sie machen sich doch nichts
daraus, ihn kennenzulernen, Ma'am?»
    «Nein, nicht
besonders. Aber das ist gut so, denn ich vermute, daß er mich nicht
interessanter finden wird als ich ihn.»

4
    Sonderbarerweise waren gerade jene zwei Personen des
Staples-Haushaltes, die die Bekanntschaft mit Sir Waldo am wenigsten
herbeisehnten, die ersten, die mit Sir Waldo bekannt wurden.
    Charlotte
und Miss Trent waren mit einem Korb voll Blumen auf dem Weg zur Kirche. Sie
fuhren im einspännigen Phaeton, den Mr. Underhill ursprünglich seiner Gattin in
der trügerischen Annahme verehrt hatte, daß es ihr Freude machen werde, selbst
in der Nachbarschaft herumzukutschieren. Sie ließen den Phaeton im Stallhof
des Pfarrhauses, trugen den Korb mit den Blumen durch ein Seitenpförtchen zur
Kirche und begannen die Lilien und den Rittersporn in zwei Vasen aufzuteilen,
als sie von einer männlichen Stimme aufgeschreckt wurden.
    «Oh, wie
reizend!»
    «Bin ich
aber erschrocken!» rief Charlotte unwillkürlich aus.
    «Bitte um
Entschuldigung!»
    Miss Trent
wandte den Kopf und sah, daß ein Fremder mit dem Rektor die Kirche betreten
hatte. Der Rektor sagte: «Oh, Miss

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