Georgette Heyer
Tag heiß zu werden versprach, war
die Frühstücksgesellschaft, an der Sir Waldo und Lindeth teilnahmen, längst mit
dem guten Essen, das man für sie vorbereitet hatte, fertig, als Tiffany in das
Zimmer schwebte und ungekünstelt fragte, ob sie sich verspätet habe.
«Ja»,
brummte Courtenay. «Wir warten schon eine Ewigkeit! Was, zum Teufel, hast du
gemacht? Du hattest Zeit, dich zwölfmal umzukleiden!»
«Genau das
tut sie!» sagte Charlotte schnippisch. «Zuerst zieht sie ein Kleid an, findet,
daß es ihr nicht paßt, zieht ein anderes an – nicht wahr, Cousinchen?»
«Also ich
finde, daß dir das Kleid sehr gut paßt», fiel Mrs. Underhill ein. «Obwohl ich –
wenn ich du wäre – bei diesem Wetter nicht Samt tragen würde!»
Als Tiffany
endlich gegessen hatte, den Hut zu ihrer Zufriedenheit aufgesetzt und ihre
Handschuhe und Reitgerte, die unbegreiflicherweise verlegt worden waren,
gefunden hatte, war es spät geworden und Courtenay sagte in zorniger Ungeduld,
daß Lizzie glauben würde, man hätte sie vergessen. Aber als sie in Colby Place
anlangten, hatte die Familie gerade das Frühstück beendet, und Lizzie war
keinesfalls fertig für den Ritt. Das war nun eine weitere Verspätung, weil Lizzie
erst hinaufging, sich anzukleiden. Ihre beiden jüngeren Schwestern begleiteten
sie, und man hörte sie eine dritte Person fragen, was sie mit Lizzies Stiefeln
eigentlich getan habe.
Das gab
Lindeth und Tiffany Zeit für einen kleinen Flirt; Sir Ralph hielt dem
Unvergleichlichen einen längeren Vortrag über seinen Triumph gegen jemanden,
der versucht hatte, ihn bei einem Handel hineinzulegen; Courtenay ging nervös
im Zimmer auf und ab, und Lady Colebatch plauderte mit Miss Trent mit der Ruhe
eines Menschen, für den Zeit keine Bedeutung hat.
«Nur zwei
Stunden Verspätung», bemerkte Sir Waldo, als die Kavalkade sich in Bewegung
setzte. «Sehr gut!»
Miss Trent,
die schon die ganze Zeit bedauerte, daß sie gwünscht hatte, Dripping Well zu
sehen, erwiderte: «Das war zu erwarten!»
«Ja, und
ich habe es erwartet!» antwortete er fröhlich.
«Dann
wundert es mich, daß Sie mitgehalten haben!»
«Man
gewöhnt sich an die Unpünktlichkeit Ihres Geschlechts, Ma'am», antwortete er.
Erbittert
über den ungerechten Tadel, sagte sie kurz: «Darf ich Ihnen mitteilen, Sir, daß ich niemanden warten lasse!»
«Sie sind
eine ganz außergewöhnliche Frau!»
«Das bin
ich bestimmt nicht.»
«Darüber
kann ich Ihnen kein Urteil gestatten. Oh, bitte, sehen Sie mich doch nicht so
böse an! Was habe ich denn gesagt, das Sie ärgern konnte?»
«Verzeihen
Sie, nichts natürlich, nur daß ich nicht in der Laune bin, Unsinn zu machen,
Sir Waldo!»
«Das ist
noch lange kein Grund, mich finster anzublicken. Ich habe Sie die letzte halbe
Stunde zu Tode gelangweilt; ich werde Sie natürlich im Laufe des Tages noch
öfter langweilen, aber ich verspreche Ihnen, keine abgedroschenen Albernheiten
mehr zu sagen.»
«Seien Sie
vorsichtig!» mahnte sie ihn mit einem bedeutsamen Blick auf Miss Colebatch und
Courtenay, die sie überholten.
«Keiner von
beiden schenkt uns die geringste Beachtung. Reiten Sie immer diesen
grobknochigen Bastard?»
«Ja, Mrs.
Underhill hat das Pferd für mich gekauft, es leistet mir gute Dienste.»
«Ich
wollte, ich hätte Ihre Haltung auf dem Pferd. Jagen Sie?»
«Nein, wenn
Tiffany auf die Jagd geht, steht sie unter der Aufsicht ihres Cousins, nicht
unter meiner.»
«Gott sei
Dank! Sie hätten nur Kummer mit diesem Biest. Ich hoffe, Sie werden nicht
sattelmüde, ehe wir nach Knaresborough kommen?»
«Das hoffe
ich auch. Aber ich weiß wirklich nicht, warum Sie mich für ein so armseliges
Geschöpf halten?»
«Das tue
ich nicht, ich halte Ihr Pferd für ein armseliges Geschöpf und für sehr
unbequem, darauf zu reiten.»
«Nein,
glauben Sie mir...» Sie unterbrach sich und sagte mit gerunzelter Stirne:
«Nun, vielleicht ist es nicht sehr – sehr leichtfüßig. Jedenfalls lehne ich es
ab, mit Ihnen darüber zu streiten, weil ich weiß, daß das dumm von mir wäre.»
«Das wäre
es!» stimmte er zu. «Aber warum ist es Ihrem liebenswürdigen Schützling nicht
eingefallen, Ihnen ihren zweiten Gaul zu leihen? übrigens, was hat Sie neulich
dazu bewogen, Ihren Entschluß zu ändern?»
Sie gab
nicht vor, ihn nicht zu verstehen, sondern antwortete offen: «Ich konnte sie
nicht so bloßstellen lassen!»
Er
lächelte. «Sie konnten nicht? Macht nichts. Ich glaube, es gelang ihrem Charme,
Lindeth
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