Georgette Heyer
nahm
eine Prise. Er blickte nachdenklich auf Laurence, dann sagte er mit vergnügtem
Schmunzeln: «Leider! Du hast danebengeraten!»
Laurence
starrte ihn an. «Wenn du mich beschwindelst, damit ich glaube, Julian ist nicht
hinter dem Mädchen her, dann bist du es, der danebengeraten hat, Waldo! Du
wirst mir doch nicht sagen wollen ...»
«Das
einzige, was ich dir sagen will, ist, daß du derjenige bist, der hinter der
Schönen her ist. Schau mich nicht so gekränkt an! Tröste dich mit dem Gedanken,
daß ich deine Angelegenheiten ebensowenig mit Julian bespreche, wie ich seine
mit dir besprechen werde.»
Er sagte
nichts weiter und ließ Laurence unsicher und gekränkt zurück. Er hatte seine
guten Gründe zu glauben, daß Julian von seiner Verzauberung geheilt war. Wenn
aber Laurie, der Tiffany für sich beanspruchte, nicht entdeckt hatte, daß sein
junger Cousin sich in ein anderes Gehege begeben hatte, um so besser, dachte
Sir Waldo, denn er mißtraute Laurences unheilbringender Zunge. Sollte sich
Julians Interesse für Miss Chartley festigen, könnte seine Mutter gegen die
Verbindung sein, wenn sie die Neuigkeit von Laurie erführe. Die erste Nachricht
mußte sie von Julian selbst erhalten, und dann wäre es seine, Waldos, Aufgabe,
die Witwe mit dem Gedanken auszusöhnen, überlegte er. Sie würde bitter
enttäuscht sein. Aber wenn sie ehrlich war, mußten ihr schon seit langem
Zweifel darüber gekommen sein, daß ihr geliebter Sohn ihren Ehrgeiz befriedigen
und um eine der Damen von Rang, Vermögen und Mode anhalten werde, mit denen sie
ihn bekannt gemacht hatte. Sie war auch eine sehr hingebungsvolle Mutter. Sir
Waldo war sicher, daß sie, nachdem sie sich von ihrem ersten Schock erholt
hatte, die sanfte Patience an ihren Busen drücken würde. Eine zutreffende
Beschreibung der schönen Miss Wield würde viel länger brauchen, ihren Sinn
günstig zu stimmen.
Er selbst
glaubte, daß Julian nach seinen verschiedenen tastenden Versuchen genau die
Gattin gefunden hatte, die zu ihm paßte. Genauso wie Patience sich von Tiffany
unterschied, unterschied sich Julians Werbung für sie von der für Tiffany. Es
begann damit, daß sie ihm gefiel; seine Bewunderung wurde durch die Episode von
Leeds entzündet; und jetzt war es – nach Sir Waldos Urteil – eine stille,
tiefe Liebe. Aus manchen Bemerkungen über Patience entnahm Sir Waldo, daß sie
sehr liebenswerte Eigenschaften besaß, gebildet war und eine erstaunliche
Bereitschaft zeigte, sich mit Julians Ideen vertraut zu machen und jedes seiner
Gefühle zu teilen. Sir Waldo nahm an, daß Julian ein häufiger Besucher des
Pfarrhauses war, aber es gab nicht die Ausritte, Picknicks und
Abendgesellschaften, die seine vorübergehende Leidenschaft für Tiffany
begleitet hatten. Vermutlich hatte Laurie deshalb die Wandlung seines Cousins
nicht erkannt und glaubte ihn in Gesellschaft seines älteren Cousins, wenn er
ihn nicht in Broom Hall antraf. Er wurde durch die angeborene Höflichkeit, mit
der Julian seine Besuche in Staples fortsetzte, irregeführt und hielt ihn
weiter für einen Anbeter Tiffanys.
Bei einem
dieser Vormittagsbesuche erfuhr Julian, daß die Redoute im Garten, die Tiffany
ihrer Tante abgeschmeichelt hatte, verschoben werden mußte. Charlotte war noch
immer leidend und müde, der Arzt verordnete Meerbäder. So beschloß Mrs.
Underhill, mit ihr nach Bridlington zu fahren, wo ihr pensionierter Cousin mit
seiner Frau lebte. Das erklärte sie entschuldigend Lindeth und Arthur Mickleby,
den Julian im grünen Salon vorfand. Sie hoffte, die Herren würden nicht böse
sein, aber sie wäre außerstande, eine Redoute zu geben, solange Charlotte so
krank war. Die beiden jungen Herren drückten ihr Bedauern aus, und Arthur
Mickleby erinnerte Mrs. Underhill tröstend daran, wie er nach den Masern nach
Bridlington gebracht wurde, wo er sich schnell erholt hatte.
Während sie
so sprachen, kam Tiffany im Reitkleid, Laurence auf den Fersen, herein.
«Bridlington?
Wer sucht schon diesen blödsinnigen Ort auf?» fragte sie. Sie reichte Lindeth
flüchtig die Hand. «Wie geht's? Ich habe Sie schon ewig lange nicht gesehen!
Oh, Arthur! Hast du auf mich gewartet? Mr. Calver lehrte mich, eine Schleife
mit dem Zügel zu ziehen. Du gehst doch nicht nach Bridlington? Es ist
der langweiligste, schrecklichste Ort, den man sich vorstellen kann. Warum
gehst du nicht nach Scarborough?»
«Nicht ich,
Charlotte», erklärte Arthur ruhig. «Ich habe Mrs. Underhill erzählt, wie
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