Georgette Heyer
eine
Hand aufs Herz.
«Wird mir
Mademoiselle die Ehre des ersten Tanzes schenken?» fragte er.
Sie sah in
ihm einen charmanten Jungen, nicht mehr. Sie legte die Hand auf seinen Arm und
lächelte ihn strahlend an.
«Ja, bitte,
M'sieur. Es ist mein eigener Ball! Ist das nicht aufregend?»
Condé, der
an pflichtgemäß gelangweilt aussehende Debütantinnen gewöhnt war, fand
Entzücken an dieser so offen zur Schau gestellten Freude. Die Geigen begannen
zu ertönen, die Paare reihten sich hinter Condé und Léonie an.
«Müssen wir
als erste gehen?» fragte sie ihn vertraulich.
«Aber
gewiß, Mademoiselle!» lächelte er. «Sie führen Ihren ersten eigenen Ball an.»
Lady Fanny,
die an der Tür stand, berührte Ruperts Arm.
«Wen hat
das Kind zum Partner bekommen? Es sollte eigentlich zumindest ein Prinz von
Geblüt sein! Wer ist es denn?»
«Der junge
Condé», antwortete Rupert. «Du dürftest ihn nicht kennen, Fan. Er ist erst an
die Zwanzig.»
«Sieh da,
wie hat es Justin zustande gebracht, ihn so früh hierherzubekommen?» rief
Milady verblüfft. «Wenn sie mit ihm eröffnet, ist sie fürs Leben gemacht!
Schau, wie sie lacht! Oh, sie hat ihn schon behext, keine Frage!» Sie wandte
den Kopf und sah Avon hinter sich stehen. «Justin, wie hast du Condé so
früh hergeschafft? Du bist wirklich ein Zauberer!»
«Ja, das
war nicht schlecht ausgedacht, wie?» sagte Seine Gnaden. «Als nächstes wirst du
sie mit de Brionne bekannt machen. Er ist soeben erschienen. Wer ist das Kind
mit den silbernen Rosen am Kleid?»
«Ich weiß
es nicht, mein Lieber! Es sind so viele neue Gesichter da, daß ich mich beim
besten Willen nicht entsinnen kann, wem sie gehören. Justin, Condé ist
entzückt! Im ganzen Saal gibt's keinen Mann, der nicht an Léonies Seite eilen
wird, nachdem Condé so hingerissen von ihr war! Ah, Madame!» Sie rauschte
hinweg, um einen späten Gast zu begrüßen.
«Ich
glaube, ich werde ins Spielzimmer gehen und mich dort der Dinge ein bißchen
annehmen», sagte Rupert pfiffig und schickte sich an, auszubrechen.
«Ganz
unnötig, mein Kind», sagte Seine Gnaden, ihm den Weg versperrend. «Es
steht unter Hughs trefflicher Aufsicht. Du wirst Mademoiselle de Vauvallon zum
Tanze führen, Junge.»
«O du
lieber Gott!» stöhnte Rupert, bewegte sich jedoch in die Richtung, wo
Mademoiselle saß.
Als Fanny
das nächste Mal Zeit fand, Léonie zu beobachten, sah sie sie neben ihrem
Partner auf einem Sofa in einem Alkoven sitzen und Punsch trinken. Die beiden
schienen sich königlich zu unterhalten. Fanny stellte es mit Freuden fest, und
als eine Gruppe junger Leute sie von allen Seiten bestürmte, Léonie vorgestellt
zu werden, wich sie ihnen geschickt aus und führte den Comte de Brionne zum
Alkoven. Als sie ihn vorstellte, erhob sich Condé und verabschiedete sich mit
einem Kratzfuß.
«Oh,
Mademoiselle, Sie müssen mir später noch ein kurzes Wiedersehen gewähren!»
sagte er. «Wann darf es sein?»
«Wollen wir
uns irgendwo treffen», schlug Léonie vor. «Ich weiß schon! Unter der großen
Palme dort drüben, um – um zehn Minuten nach elf!» Sie zwinkerte ihm zu. «Wie
bei einem Abenteuer!»
«Mademoiselle,
ich werde mich einstellen!» versprach Condé lachend. Fanny trat näher.
«Meines
Bruders Mündel, M'sieur. M. de Brionne, Léonie.»
Léonie
stellte ihr Glas nieder, erhob sich und knickste. Ihre Stimme war leicht
gerunzelt. Die unerbittliche Fanny schleppte Condé mit sich fort.
«Mademoiselle
sieht bekümmert aus?» De Brionne reichte ihr wieder das Glas.
Sie wandte
sich ihm mit einem liebenswürdigen Lächeln zu.
«M'sieur,
ich bin schrecklich albern. Mir will Ihr Name nicht einfallen.»
De Brionne
war einen Augenblick lang wie vor den Kopf geschlagen. In dieser Art pflegten
junge Damen durchaus nicht den Sohn Ludwigs von Lothringen anzusprechen. Doch
er konnte der Zauberkraft von Léonies Augen nicht widerstehen. Außerdem würde
gewiß ein de Brionne dort nicht Anstoß nehmen, wo ein Condé mit Vergnügen
geweilt hatte. Er gab das Lächeln zurück.
«Sie sind
erst kürzlich nach Paris gekommen, Mademoiselle?»
Sie nickte.
«Ja,
M'sieur. Nun lassen Sie mich nachdenken. Halt, ich weiß es! Sie sind der Sohn
des Comte d'Armagnac – M. le Grand!»
Der Graf
war höchlichst belustigt. Er war wohl noch nie einer Dame begegnet, die derart
naive Betrachtungen über seine Genealogie anstellte. Er ließ sich gemächlich
nieder und stellte vergnügt fest, daß Léonie sich seiner bediente,
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