Georgette Heyer
doch, daß er, nahm er
sie zur Frau, den alten Namen, den er trug, entehren würde. Diejenigen, die ihn
kannten, meinten, er würde sich über alle Vorurteile hinwegsetzen, doch Léonie
würde es nicht tun; und weil sie ihn liebte, weil er ihr Seigneur war, würde
sie lieber alles opfern, bevor sie ihn in den Augen seiner Welt erniedrigte.
Sie biß
sich fest in die Lippe; es war bei weitem besser, sich für eine Bauerndirne zu
halten als für eine uneheliche Tochter Saint-Vires. Ihre Welt stürzte um sie
zusammen, doch sie stand auf und kehrte in den Ballsaal zurück.
Bald trat
Avon zu ihr und reichte ihr seinen Arm.
«Ich
glaube, du bist müde, Kind. Gehen wir Lady Fanny suchen.» Léonie barg ihre Hand
in seinen Arm und seufzte leise.
«Monseigneur,
lassen Sie uns ohne Lady Fanny und Rupert gehen. Ich will sie jetzt nicht
sehen.»
«Schön,
Kind.» Avon winkte Rupert herbei und sagte diesem, als er sich ihnen näherte,
nachlässig: «Ich bringe das Kind nach Hause, Rupert. Sei so gütig und warte
hier so lange, bis du Fanny begleiten kannst.»
«Ich bringe
Léonie heim», machte sich Rupert eifrig erbötig. «Fanny wird noch stundenlang
hier sein wollen.»
«Deswegen
lasse ich dich ja zu ihrem Schutz zurück», sagte Seine Gnaden. «Komm, ma
fille.»
Er brachte
Léonie in seiner leichten Stadtchaise nach Hause, und während der kurzen Fahrt
zwang sie sich, heiter vom eben besuchten Rout zu sprechen, von diesem und
jenem Gast und tausend anderen Belanglosigkeiten. Im Hotel Avon angekommen,
begab sie sich sogleich in die Bibliothek. Seine Gnaden folgte ihr.
«Nun, ma
mie, was jetzt?»
«Jetzt
ist's genau, wie es immer war», sagte Léonie sehnsüchtig und ließ sich auf
einem niederen Schemel neben dem Stuhl des Herzogs nieder.
Seine
Gnaden schenkte ein Glas Wein ein und blickte mit fragend erhobenen Brauen auf
Léonie nieder.
Léonie
faltete die Hände über den Knien und starrte blind ins Feuer. «Monseigneur,
heute abend war der Duc de Penthièvre anwesend.»
«Ich habe ihn gesehen, Kind.»
«Sie haben
nichts gegen ihn, Monseigneur?»
«Nicht im
mindesten, Kind. Warum auch?»
«Nun,
Monseigneur, ist er nicht – er ist doch nicht edler Geburt, nicht wahr?»
«Im
Gegenteil, Kind, sein Vater war ein königlicher Bastard und seine Mutter eine
de Noailles.»
«Das meinte
ich ja», sagte Léonie. «Macht das nichts aus, daß sein Vater ein Bastard war?»
«Ma fille, da der Vater des Grafen von Toulouse der König war, macht dies überhaupt
nichts aus.»
«Wenn sein
Vater aber nicht König wäre, würde es wohl etwas ausmachen, nicht wahr? Das
finde ich sehr merkwürdig.»
«Das ist
der Lauf der Welt, Kind. Die kleinen Sünden eines Königs pflegen wir zu
verzeihen, doch die eines gewöhnlichen Sterblichen sehen wir scheel an.»
«Sogar Sie,
Monseigneur. Und – und Sie mögen die illegitim Geborenen gar nicht.»
«Nein,
Kind. Ich finde die jetzige Tendenz, mit seiner Leichtfertigkeit vor der
Gesellschaft zu paradieren, beklagenswert.»
Léonie
nickte.
«Ja,
Monseigneur.» Sie schwieg ein Weilchen. «Auch Monsieur de Saint-Vire war heute
abend zugegen.»
«Ich hoffe,
daß er dich nicht abermals zu entführen versuchte?» Seine Gnaden fragte es
leichthin.
«Nein,
Monseigneur. Warum versuchte er es damals?»
«Zweifellos
wegen deiner beaux yeux, Kind.»
«Pah, wie
albern! Was war sein wirklicher Grund, Monseigneur/.
«Mein Kind,
du begehst einen großen Fehler, wenn du mich für allwissend hältst. Du verwechselst mich mit Hugh Davenant.»
Léonie
zwinkerte ihm zu.
«Heißt das,
daß Sie es nicht wissen, Monseigneur?»
«So etwas
Ähnliches, ma fille.»
Sie hob den
Kopf und blickte ihm offen in die Augen.
«Vermuten
Sie, Monseigneur, daß er's tat, weil er Sie nicht leiden kann?»
«Durchaus
möglich, Kind. Aber zerbrechen wir uns nicht den Kopf darüber.
Darf ich dir nun eine Frage stellen?»
«Ja,
Monseigneur?»
«Auf dem
heutigen Rout war eine Dame namens Verchoureux anwesend.
Sprachst du mit ihr?»
Léonie
starrte wieder ins Feuer.
«Verchoureux?»
wiederholte sie sinnend. «Ich glaube nicht...»
«Schon
gut», sagte Seine Gnaden.
Da betrat
Hugh Davenant die Bibliothek, und Seine Gnaden konnte, aufblickend,
nicht die verräterische Röte sehen, die Léonies Wangen überflutete.
28
DER
GRAF SAINT-VIRE ENTDECKT EINEN TRUMPF IN SEINER HAND
Das Aufsehen, das Léonie in der großen
Welt erregte, versetzte Madame de Saint-Vire in einen Zustand nervöser Angst.
Ihr Geist war in
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