Gepaeckschein 666
konnte. Der Mann, der das Vieh versteigerte, mußte noch lauter brüllen als alle Ochsen und Kühe zusammen. Herr Winkelmann machte sich’s leichter. Er brüllte nicht. Wenn er etwas kaufen wollte, hob er nur seine linke Hand mit der brennenden Zigarre in die Luft, und dann rief der Versteigerer: zum zweiten - und zum dritten Mal!“
Im Seitenflügel A der Kriminalpolizei, zweiter Stock, Zimmer 247, hob in der gleichen Sekunde auch Kriminalkommissar Lukkas seine linke Hand in die Luft. Aber nur, um sie sofort wieder wie eine Fliegenklappe auf seinen Schreibtisch fallen zu lassen. Es knallte, und er brüllte dabei: „Jetzt reißt mir aber die Geduld!“
„Bitte“, sagte seelenruhig der Mann, der in einer Kamelhaarjacke und mit einem sehr bunten Wollschal um den Hals vor ihm saß.
„Schön“, sagte Kriminalkommissar Lukkas und beruhigte sich wieder.
„Wir fassen ihn trotzdem! Auch, wenn ihr alle zusammenhaltet wie die Sardinen in der Büchse. Spätestens morgen habe ich von der Pariser Fahndungsstelle sein Foto. Dann kommt er nicht mehr weit. Dann geht sein Bild durch alle Zeitungen, und sein Steckbrief klebt dann an allen Hausecken.“
„Er wird sich einen Bart ankleben und eine andere Nase ins Gesicht operieren lassen“, meinte der Kerl in der Kamelhaarjacke. „Mit mehr als hunderttausend Mark in der Brieftasche ist das kein Problem.“
„Und wenn er sich zehnmal die Nase operieren läßt und dazu noch in eine Kanalröhre kriecht, wir schnappen ihn doch!“ stellte Kriminalkommissar Lukkas fest. „Abführen!“
Ein Polizist kam auf den Mann in der Kamelhaarjacke zu und tippte ihm auf die Schulter.
„So eine Art Röntgenapparat müßte man haben“, dachte Kriminalkommissar Lukkas. Man steckt oben ganz einfach den Namen rein, drückt auf einen Knopf und dann sieht man sofort, wo der Kerl gerade sitzt, steht oder liegt -
Hätte Kriminalkommissar Lukkas wirklich einen solchen Apparat gehabt und in diesem Augenblick auf den Knopf gedrückt, er wäre bestimmt enttäuscht gewesen.
Der Mann, hinter dem Lukkas mit all seinen Beamten nun schon seit einer guten Woche her war, dachte nämlich gar nicht daran, sich seine Nase operieren zu lassen oder in irgendeine Kanalröhre zu kriechen.
Er stand gerade in einem billigen Pensionszimmer vor der Glastür vor seinem Spiegel und rasierte sich. Der Spiegel hatte in der Mitte einen Sprung, und das Zimmer, das so schmal war wie ein Handtuch, lag nach
dem Hinterhof hinaus. Irgendwo gegenüber sang eine Stimme aus dem Radio „Pack die Badehose ein Der Mann mit dem Seifenschaum im Gesicht pfiff mit. Beide, die Stimme im Radio und er, waren ganz offenbar bester Stimmung. Sein Komplice hatte eine lederne Motorradjacke an und lag auf dem Bett. Er rauchte eine Zigarette nach der anderen und las die Zeitung.
„Wie ist die Presse?“ fragte es jetzt vom Spiegel her. „Du stehst überall wieder auf der ersten Seite“, antwortete der Kerl in der Lederjacke. „Von mir ist immer nur im Nebensatz die Rede.“ Er blätterte etwas enttäuscht um und interessierte sich jetzt für die Seite mit den Ankündigungen der neuesten Filme.
„Da — ,Der Schuß im Nebel’ - wollen wir nicht wenigstens mal ins Kino heute abend?“ fragte er.
Der andere war mit dem Rasieren fertig und hatte seinen Kopf unter der Wasserleitung. „Du vergißt, daß du mich erst vor einer Stunde um zwei Mark für Zigaretten angepumpt hast!“
Der Kerl in der Lederjacke sprang auf und zischte: „Wir werden doch noch zwei Kinokarten bezahlen können! Wo ist denn das ganze Geld überhaupt? Ich mache das einfach nicht mehr —“
Schwupp! Ein klitschnasses Handtuch flog vom Spiegel her durchs Zimmer und dem Kerl mit der Lederjacke ins Gesicht, genau auf den Mund.
Der Sheriff hatte Carlos, den jungen Portugiesen, zuerst einmal zu sich an den Bahnhofseingang geholt. Um ihn sozusagen anzulernen. In einer Woche etwa würde er dann soweit sein, daß er mit dem kleinen Horst Buschke tauschen und allein am U-Bahn-Eingang Mönckebergstraße anfangen konnte.
Im Augenblick saß der neue Chef der Schuhputzer-jungen in seinem Stuhl und verdrehte den Hals, damit er diesen knallroten Pepsodentballon sehen konnte, der jetzt direkt auf den Hauptbahnhof zugesegelt kam.
„Sieht aus wie eine Tomate auf Urlaub!“ stellte der Sheriff fest. „Was sich diese Reklamedirektoren so alles einfallen lassen müssen, um ihre Autos zu verdienen“, meinte er noch. Dann sah er wieder auf seine Schuhe. Diese Schuhe
Weitere Kostenlose Bücher