Gepaeckschein 666
überall auf den anderen Bänken saßen jüngere und ältere Frauen, die in Büchern lasen oder ihre Handarbeiten bei sich hatten. Sie sahen immer wieder einmal hoch, als ob sie in ziemlich regelmäßigen Abständen von einer Stecknadel gepiekt würden. Aber natürlich sah das nur so aus, in Wirklichkeit suchten sie von Zeit zu Zeit nach den Kindern, mit denen sie gekommen waren und auf die sie aufpassen mußten.
Es war ein wunderschöner Vormittag.
„Ein Wetterchen, wie an Kaisers Geburtstag“, meinte eine alte Dame, ohne von ihrem Strickzeug aufzusehen. Sie saß am anderen Ende der Bank und hatte ein schwarzes Kapotthütchen auf dem weißen Haar.
„Ich kann das leider nicht beurteilen!“ bedauerte Peter. „Ich hatte damals noch nicht das Vergnügen, geboren zu sein.“
„Du bist wohl ein kleiner Witzbold, wie!“ kicherte die alte Dame und klapperte mit ihren Stricknadeln.
Peter holte jetzt einen Zettel aus der Tasche und schrieb fein säuberlich auf, was er bisher für Zimmer 281 ausgegeben hatte.
„Wenn du dich langweilst“, ließ sich die alte Dame wieder hören, „hier liegt die heutige Morgenzeitung.“ Peter hatte gerade wieder seinen Zettel in die Tasche gesteckt. Er sagte „Sehr freundlich!“ und bediente sich. Peter faltete die Zeitung auseinander, und da sprang ihm aus der rechten unteren Ecke des ersten Blattes eine fett gedruckte Überschrift ins Auge: „5000 Mark Belohnung!“ Peter pfiff durch die Zähne.
So ziemlich im gleichen Augenblick pfiff es noch einmal. Dabei fiel von rückwärts ein Schatten über die Morgenzeitung. „Hay!“ sagte der Schatten und war plötzlich wieder verschwunden. Aber dafür sah Peter jetzt einen zitronengelben Pullover vor sich, mit einem sehr farbigen Cowboy mitten auf der Brust.
Dieser Pullover machte ein paar Schritte und setzte sich neben Peter auf die Bank.
„Guten Morgen!“, sagte Peter überrascht und wollte aufstehen.
Aber der zitronengelbe Pullover hielt ihn zurück und grinste: „Was macht dein Baby?“
Peter zeigte mit dem Kopf zu den Elefanten hinüber.
„Du bist ein perfektes Kindermädchen. Gratuliere!“
„Danke, Mister Overseas“, sagte Peter und blinzelte in die Sonne. „Pech muß man haben!“
„Es war gar nicht so einfach, dich hier zu finden“,
Overseas junior lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich war bis bei den kanadischen Silberfüchsen und den Schildkröten.“
„Und warum haben Sie nach mir gesucht?“ fragte Peter. „Eigentlich wollte ich, daß du mir die Stadt zeigst. Daddy sitzt wieder bis Mittag in einer Konferenz. Ich habe Jimmy und den Wagen bei mir. Der Portier hat mir gesagt, daß du hier im Zoo bist.“ Der junge Overseas kramte nach etwas in seiner Hosentasche.
Dabei fragte er jetzt plötzlich: „Du glaubst bestimmt, daß ich ziemlich eingebildet bin, wie?“
Peter biß sich auf die Unterlippe und sagte nichts.
Der junge Overseas suchte weiter in allen möglichen Taschen.
„Aber das stimmt nicht. Gestern abend wollte ich bloß, daß du dich ärgerst.“
„Wieso?“ Peter drehte beinahe ruckartig den Kopf herum.
Aber Overseas junior war völlig mit seinen Taschen beschäftigt, er tat wenigstens so. Offenbar brachte er jetzt in seine Suchaktion System. Er legte alles, was er bei sich trug, auf die Bank. Ein Taschenmesser, zwei kleine Rollen Bindfaden, Flaschenkorken, Geldmünzen, eine italienische Kinokarte, einen Schlüsselbund, ein Stück Kreide.
„Du hast mir eigentlich gleich gefallen“, meinte Overseas junior so nebenbei, „bis auf die Geschichte mit Jimmy. Jimmy ist nämlich ein feiner Kerl, und ich kann es einfach nicht ausstehen, wenn man ihn für dumm hält und auslacht, so wie gestern im Aufzug. Und da hättest du am liebsten mitgelacht. Deshalb hab’ ich dann - Hay! Da sind sie!“
Overseas junior warf seine Packung Kaugummi in die Luft und fing sie auf, dann kramte er seine Sachen wieder in die Hosentaschen zurück. „Tell me - hast du etwas gegen Neger?“
Peter dachte einen Augenblick nach und sagte: „Ich bin zufällig weiß und ein anderer ist zufällig schwarz. Das ist alles. Aber das mit Jimmy —“
„ What ?“ fragte Overseas junior und zog die Augenbrauen hoch.
„- Ich meine, daß du Jimmy in Schutz nimmst - Entschuldigung, daß Sie Jimmy so in Schutz nehmen - das - das finde ich ziemlich enorm.“
„I am sorry“, sagte Overseas junior und hielt jetzt seine Kaugummipackung hin.
„Was heißt das: Ai äm sorri ?“ fragte
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