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Gepeinigt

Titel: Gepeinigt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theresa Saunders
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war, ein Haufen Mist, der vor keinem Gericht standhalten würde. Der einzige Zweck der Übung bestand also lediglich darin, für einen Tag aus dem Knast rauszukommen. Und deshalb hatte er beschlossen, die Vertretung vor Gericht selbst zu übernehmen.
    Und da war er nun. Reine Zeitverschwendung. Und dennoch war ihm dieser Tag Gold wert.
    Vor zwei Jahren war es ihm schon einmal gelungen, etwas Ähnliches abzuziehen, als ein Filmteam die Erlaubnis erhielt, ihn und einen Mithäftling für eine Dokumentation über berüchtigte Verbrecher zu interviewen. Mann, hatte er einen Spaß gehabt! Natürlich hatte er nichts zugegeben, lediglich die Fragen zu seinem Alltag beantwortet, mit todtrauriger Miene und feuchten Hundeaugen. Hatte vor der
Kamera mit den Augen geklappert, wie Brad Pitt in seinen besten Zeiten. Und es hatte funktioniert. Er hatte Fanpost erhalten. Zwei ausgetrocknete alte Jungfern, die Mitleid mit dem »Großmutterschänder« bekommen hatten. Fettärsche natürlich, alle beide, aber es war ein Riesenspaß gewesen.
    Er würde nie den Moment vergessen, als seine Knasthure für ihn ein Interview unterbrach, um ihm einen Snack zu besorgen. Dem Kameramann wären beinahe die Augen beim Anblick des Typen rausgefallen, der sich die Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und das Gefängnishemd vor der Brust verknotet hatte. Die Boxershorts hatte er sich zwischen die Pobacken geklemmt.
    Allein damit hatte er sich ein weiteres Interview verdient.
    Er grinste hämisch.
    In diesem Moment versetzte ihm ein Wärter einen Stoß, und Bruce setzte sich gehorsam in Bewegung. Er warf einen letzten Blick zurück, atmete tief durch und betrat das Gerichtsgebäude.
    Begleitet vom vertrauten Klirren seiner Fußfesseln ließ er sich in eine Wartezelle führen, wo man ihn allein einschloss. Das war ihm auch lieber. Er hatte keine Lust, sich von einem Schwächling, der über die Ungerechtigkeit der Welt herumwinselte, die Laune verderben zu lassen.
    Er ließ sich auf der Bank nieder und fuhr sich grinsend über den ungewohnten Stoff seines schwarzen Pullis und der dunklen Jeanshose. Seine alten Klamotten. Hatte sie seit Jahren nicht mehr angehabt. Komisches Gefühl. Nicht, dass er je Anstaltsklamotten getragen hätte. Das taten nur Neulinge, die krampfhaft versuchten, sich einzuordnen.
    Er berührte mit seiner schwieligen Hand die roten, stoppelkurzen Haare und lehnte sich zufrieden seufzend an die Zellenwand.

    Â»Johns, Sie sind dran«, bellte ein Wärter.
    Bruce lächelte verkrampft. Er hob seinen knapp eins neunzig Meter langen Körper von der Pritsche, stemmte die Hände in den Rücken und dehnte sich. Dann streckte er aufreizend langsam die Arme über den Kopf und kreiste seine Schulterblätter.
    Er war bereit.
    Schelmisch zwinkerte er dem diensthabenden Wärter zu und schnalzte zwei Mal mit der Zunge.
    Dieser beachtete ihn gar nicht und winkte ihn aus der Zelle, wo er bereits von einem zweiten Wärter erwartet wurde. Zu dritt machten sie sich auf den Weg zum Gerichtssaal.
    Obwohl ein erfrischender Zitrusgeruch in der Luft lag, war der Saal, wie nicht anders zu erwarten, kahl und nüchtern. Flankiert von seinen beiden Wärtern wurde Bruce in den Raum geführt, der ihn frappierend an ein Klassenzimmer erinnerte: funktionale Einrichtung, vorne auf einem Podest das Lehrerpult und in einigem Abstand aufgestellte Klappstühle für die Zuschauer. Er kannte sich gut genug aus, um zu wissen, dass der großzügige Sessel rechts vom Richterpodest für den Staatsanwalt vorgesehen war, während er auf der Anklagebank unweit vom Richterpodest Platz nehmen musste. Einer der beiden Wärter hatte das Glück und konnte sich gleich daneben in die vorderste Reihe setzen.
    Für einen Moment lauschte er auf die Stille. Aber irgendetwas irritierte ihn, und schlagartig wurde ihm klar, dass es gar nicht still war. Stühle knarrten, Ventilatoren schwirrten, automatische Türen gingen sirrend auf und zu. Eigentlich unaufdringliche Hintergrundgeräusche. Ganz anders als der Lärm, den er es sonst gewohnt war: das ohrenbetäubende Bimmeln der Signalglocke, das laute Geschepper der Zellentüren, dröhnende Lautsprecherdurchsagen. Überwachungsgeräusche.
Er schüttelte diese Gedanken ab. Kein Grund, sich sein schönes Abenteuer verderben zu lassen. Es würde ohnehin früh genug vorüber sein.
    Außerdem

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