Gequält
und nichtssagende Worte, zusammengenommen die perfekte Methode, um sich für alle Zukunft für Aufträge dieser Art zu disqualifizieren. Schließlich hatte er sich an eine alte Regel für Schreiberlinge erinnert: Wenn du nicht weißt, wie du etwas sagen sollst, ruf deinen besten Freund an und erzähl ihm die Geschichte.
Anders schrieb die 1200 Zeichen in fünf Minuten. Der Text handelte von dem neuen Silikonbusen einer Moderatorin. Silikon sei für Frauen wie Viagra für die Männer. Es signalisiere Jugend und ein Interesse, das die Wirklichkeit überträfe. Zum Schluss stellte er die Frage in den Raum, was wohl geschähe, wenn die führenden Nachrichtensprecher des Landes mit einem Dauersteifen in ihren Khakihosen rumliefen.
Dass der Text überhaupt publiziert wurde, lag hauptsächlich daran, dass der Nachrichtenchef in seinem Ärger darüber, jetzt schon das dritte Jahr in Folge an Mittsommer arbeiten zu müssen, ermüdende Aufgaben wie das Durchlesen von Texten mit einem abwehrenden Ja, ja, ja beiseitegewischt hatte.
Am darauffolgenden Tag wurde Anders vor den Chefredakteur zitiert, ein fantasie- und humorloser alter Sack, der mit dem Zeigefinger auf den Text in der Zeitung geklopft und dann die Hand zum Abschied gehoben hatte. Anders musste noch am gleichen Tag seinen Platz räumen, erhielt aber für den ganzen Sommer seinen Lohn. Er war noch nicht zu Hause, als ihn schon das brancheneigene Klatschblatt anrief, um sich über die Vorkommnisse zu informieren. Anders antwortete wahrheitsgemäß, dass er anlässlich seiner ersten und einzigen Fernsehrezension gefeuert worden sei.
»Bereuen Sie, die Rezension geschrieben zu haben?«, fragte ihn der Reporter aufgeregt.
»Nein«, erwiderte Anders, der im Vakuum des Schocks weiterhin ehrlich blieb, »das war das einzig Vernünftige, was ich für dieses Blatt geschrieben habe.«
Zwei Tage später saß er in einem Fernsehstudio in Göteborg und wiederholte dieselben Worte. Die Moderatorin mit dem Silikonbusen hatte auf eine Teilnahme verzichtet. Auf dem Heimweg erreichte ihn die Chefredakteurin des Konkurrenzblattes im Zug und bot ihm eine feste Stelle an. Und hier saß er nun fast ein Jahr später und war im Begriff, sich einen Namen zu machen.
Der Chefredakteur des Unterhaltungsteils betrat die Redaktion mit einem Papierstapel, den er auf Anders’ Schreibtisch deponierte.
»Die neue HBO-Serie. Drei Spalten. Über ihn.«
Anders wusste, worum es ging, nämlich eine im Voraus gehypte Fernsehserie mit dem üblichen Mix aus nackter Haut und Verbrechen, von der behauptet wurde, sie würde das Medium revolutionieren. Das Pressematerial richtete seine besondere Aufmerksamkeit auf einen abgehalfterten sechzigjährigen Filmstar, der dank dieser Rolle wieder ins Rampenlicht zurückfand.
»Und das Mädchen?«, sagte Anders und meinte die zweiundzwanzigjährige weibliche Hauptrolle, die über Nacht berühmt geworden war, nachdem ein privates Sexvideo rein zufällig auf Abwege geraten war.
»Eine Bildunterschrift plus ein kurzer Text über das Nacktvideo.«
»Okay.«
»Morgen.«
»Klar.«
Der Chef der Unterhaltungsseiten ließ ihn allein, und Anders überlegte sich, wieso das Schicksal ausgerechnet ihm gnädig war, obwohl er es nicht verdient hatte.
14
Calle Collin schrieb den Text in einem Rutsch, einen Text, bei dem kein Auge trocken bleiben würde. Um den gerade einmal dreizehnjährigen Verkehrstoten, das Opfer eines flüchtigen Fahrers, trauerten seine Mutter und sein jüngerer Bruder. Kent war ein lebensfroher Junge gewesen, der gerne mit seinem Bruder angelte und die Natur liebte. Calle beschrieb Kent als selbstständig und abenteuerlustig, ein Junge, der die Gelegenheiten, die ihm das Leben bot, zu ergreifen wusste.
Calle schrieb über Margits Trauer, wies aber darauf hin, dass Kent in ihrer Erinnerung weiterlebte und dass sie für die gemeinsame Zeit dankbar war. Während seiner wenigen Jahre habe Kent jeden Tag ausgeschöpft und mehr erlebt als viele, denen ein längeres Leben vergönnt sei.
Calle druckte den sechs Schreibmaschinenseiten langen Artikel aus und las ihn noch einmal durch. Er strich einige zu sentimentale Sätze, die möglicherweise ironisch aufgefasst werden konnten, sowie ein halbes Dutzend unbeabsichtigter Wiederholungen und ergänzte ein paar fehlende Anführungszeichen. Dann übertrug er die Änderungen in die Datei, druckte sie noch einmal aus, sah sie ein letztes Mal gründlich durch, schickte den Text per Mail an Margit, dankte für
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