Gerade noch ein Patt
sich abprallen. Abschlußbesprechungen sollten angeblich ein Geben und Nehmen sein. Absolut unüblich. Das einzig Gute, was bei dieser einseitigen Abschlußbesprechimg herauskam, war eine frühzeitige Entlassung in die Kaserne.
Ob durch Zufall oder absichtlich, alle Offiziere aus Toms Bataillon verließen die TOZ durch die Lücke zwischen denselben zwei Fahrzeugen. Der Rigger-Kom-mandeur Olivetti nahm denselben Weg. Tom erkannte, was vorging: Es würde eine inoffizielle Abschlußbesprechung geben, bevor sich die Truppe aufs Ohr legte. Es dauerte nicht lange, bis sie begann.
»Was war das denn für ein Drek?« Santiagos Stimme war so laut, daß sie auch noch in der TOZ zu hören sein mußte, wo sich noch der General und sein Stab aufhielten, aber die Miene des Captains legte die Vermutung nahe, daß ihm das egal war. Wenn Santiago über irgend etwas wütend war, erfuhr es jeder. »Wir sind genauso schlau wie zuvor, oder wissen wir jetzt mehr? Nichts plus nichts ist immer noch nichts. Weniger als nichts, wenn man bedenkt, was die Schiris da draußen abgezogen haben.«
»Na, na, Santi. Bleib cool, ja? Die Übung ist vorbei.« Vahn legte seinem Freund den Arm um die Schulter und drängte ihn, sich etwas schneller von der TOZ zu entfernen, während er ihm ins Ohr flüsterte: »Warte, bis wir in der Kaserne sind, ja?«
Vahn und Santiago hatten im selben Jahr ihren Abschluß gemacht. Tom konnte sich erinnern, sie schikaniert zu haben. Er erinnerte sich außerdem, daß Vahn viel Zeit damit verbracht hatte, hinter seinem streitsüchtigen Kumpel aufzuräumen. Es sah ganz so aus, als versuche Vahn immer noch, auf seinen Freund aufzupassen und seine undiplomatischen Exzesse zu vertuschen. Fehler, die während eines Manövers gemacht wurden, sollten sich eigentlich nicht negativ auf einen Offizier auswirken, aber Fehler im Betragen, die im Zusammenhang mit dem Manöver begangen wurden, waren etwas anderes. Die hohen Tiere hatten keinen Zweifel daran gelassen, daß sie keine Klagen hören wollten, und würden nicht sehr freundlich darauf reagieren, daß Santiago vom Leder zog, während sie noch in Hörweite waren. Vahn sorgte sich wie üblich mehr um die Zukunft als sein Kumpel.
Santiago wollte nicht hören. »Was, zum Teufel, ist mit der Informierten Armee passiert? Sag' mir das! Wie, in aller Welt, soll man vernünftige Entscheidungen ohne Informationen treffen? Habe ich irgendwas verpaßt? Wann sind wir zur guten alten Roten Kommie-Armee geworden?«
»Das sind wir mit Sicherheit nicht«, sagte eine Stimme, die in Tom ein jähes Mitgefühl für Santiago wachrief.
»Ach-tung!« rief Tom verspätet.
Die überraschte Gruppe nahm Haltung an. Die mei-sten sahen überrascht und ein wenig nervös aus wie Vahn. Er war ganz eindeutig nicht der einzige, der Co-lonel Malinovsky nicht hatte kommen hören. Santiago hatte wenigstens soviel Verstand, ein wenig schuldbewußt auszusehen.
Malinovsky war ihr Regimentskommandeur. Der Co-lonel stammte aus einer Familie von Berufsoffizieren, deren Geschichte im Militärdienst über ein Jahrhundert zurückreichte. Die meiste seiner Vorfahren hatten in der alten Sowjetarmee und ihren unmittelbaren Nachfolgern gedient. Wie viele andere war die Malinovsky-Familie vor dem Chaos gegen Ende des Jahrhunderts geflohen, um dann in den Euro-Kriegen der frühen dreißiger Jahre herumgestoßen zu werden. Schließlich hatten sie eine neue Heimat im Westen gefunden, wo sie neue Laufbahnen eingeschlagen und sich als ihrer neuen Heimat treu ergeben erwiesen hatten. Manche, wie der Colonel, waren in bezug auf ihre Vergangenheit empfindlich.
Doch Colonel Malinovsky schien kein Interesse an Santiago zu haben. Er wandte sich direkt an Tom.
»Stehen Sie bequem, Major Rocquette.« Die Steifheit des Colonels ließ nicht mehr als ein winziges Entspannen zu. »Sie haben bei dieser letzten Begegnung fast die Hälfte ihrer Einsatzgruppe verloren, Rocquette.«
Tom wußte selbst, wie schlecht sie sich geschlagen hatten.
»Haben Sie irgend etwas dazu zu sagen?«
»Ich habe meinem Bericht und der Nachbesprechung nichts hinzuzufügen, Colonel.«
Malinovskys kalte graue Augen starrten ihn an. Tom konnte diesen leeren Stahlwänden nichts entnehmen. Der Colonel nickte zögernd.
»Ich bin beeindruckt«, sagte er. »Sie haben dort draußen verdammt gute Arbeit geleistet, Rocquette. Wenn sich die übrigen Einsatzgruppen, die dieses Szenario durchlaufen, ebensogut schlagen, haben wir eine Chance zu gewinnen.«
Gute Arbeit?
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