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Geräusch einer Schnecke beim Essen

Geräusch einer Schnecke beim Essen

Titel: Geräusch einer Schnecke beim Essen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Tova Bailey
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angepassten Unterschlupf bezogen, bildet sie nicht wie für die Sommerruhe ein dünnes, sondern ein dickes Epiphragma, je nach Schneckenart und Strenge des Winters auch gleich mehrere, wie Ernest Ingersoll in In a Snailery beschreibt:
     
    Das Thier zieht sich in sein Gehäuse zurück und verschließt die Öffnung mit einer Membran aus Schleim, die so fest wird wie ein Trommelfell. Wenn es draußen kälter wird, zieht sich die Schnecke noch etwas weiter zurück und bildet ein weiteres «Epiphragma», und so fort, bis… das Thier gemüthlich eingerollt in den tiefsten Tiefen seines Domicils ruht.
     
    Diese Schleimdeckel, erklärt der Autor von Schnecken und ihre Gehäuse , «funktionieren nach dem Prinzip des Doppelfensters; jedes Deckelpaar umschließt eine Luftschicht, wodurch [die Schnecke] wirksam vor der Kälte geschützt ist.»
    Das Epiphragma faszinierte mich. Je nach Art der Schnecke und den örtlichen klimatischen Bedingungen wird es unterschiedlich gestaltet. Es kann dünn und schlicht sein oder dick und aufwendig konstruiert. Mal ist es mit gezielt plazierten Atemlöchern versehen, mal ist es luftdurchlässig. Der Bau dieser kleinen Türen ist eine Wissenschaft für sich, und das zu Recht. Mag sie auch nicht für die Dauer gedacht sein, so kann eine stabile Tür bei ungünstigen Wetterbedingungen doch über das Leben einer Schnecke entscheiden. Ein Epiphragma ist etwas Persönliches, und es ist eine klare Aussage: Die Schnecke ist zu Hause, will aber nicht gestört werden.
    Bei länger anhaltendem Tageslicht und steigenden Temperaturen endet die Winterruhe. «Nachdem die Schnecke über solch einen langen Zeitraum geschlafen, erwachet sie an einem der ersten schönen Tage im April, erbricht ihre Kammer und zieht von dannen, Nahrung zu suchen», schreibt Oliver Goldsmith.
    Während viele Lebewesen, darunter auch einige Menschen, ausgedehnte jahreszeitliche Wanderungen auf sich nehmen, um dem Winter zu entkommen, ist es den Schnecken dank ihres Ruhezustands möglich, zu bleiben, wo sie sind – ein Glück, bedenkt man die geringe Reichweite der Ausflüge einer durchschnittlichen Schnecke. Der französische Dichter Jacques Prévert hat das Lied von den Schnecken, die zum Begräbnis ziehn , geschrieben, die Geschichte zweier Schnecken, die am Begräbnis eines zu Boden gefallenen Herbstblattes teilnehmen wollen. Sie machen sich auf den Weg, doch als sie ihr Ziel endlich erreichen, ist der Frühling angebrochen, und alle sind wieder frohen Mutes.
    Manche Schnecken unternehmen selbst im Ruhezustand abenteuerliche Reisen. Hier ist, aus dem im neunzehnten Jahrhundert verfassten Aufsatz Schnecken und ihre Gehäuse , mein Lieblingsbericht über Schnecken, die im Schlafzustand an einen anderen Ort gelangten:
     
    Professor Morse berichtet von bestimmten Species, die in dicken Eisblöcken eingefroren waren und hinterher wieder zum Leben erwachten. Andere Schnecken waren zweieinhalb Jahre in engen Pillenschachteln eingesperrt und haben überlebt, und eine Schnecke aus Ägypten, die am fünfundzwanzigsten März 1846 im Britischen Museum auf einer Tafel fixiert wurde, regenerierte sich wundersamerweise vollauf, als sie nach vier Jahren in lauwarmes Wasser gelegt wurde.
     
    Ich überlegte, was wohl in der letzten Eiszeit mit den Schnecken geschehen war, und fragte den Malakologen Tim Pearce, ob er glaube, dass eine Schnecke einem vorrückenden Gletscher davonkriechen könne. Er mutmaßte, dass einige der größeren Landschnecken sehr langsam fließendem Eis entkommen könnten. Ich stellte mir eine winzige Schnecke vor, der ein Gletscher auf den Fersen war. Je näher der Gletscher gekommen wäre, desto kälter wäre es geworden. Die Schnecke hätte sich daraufhin eine Höhle gebaut und sich in die Winterruhe begeben, und der Gletscher wäre direkt über sie hinweggeflossen. Aber hunderttausend Jahre konnte nicht einmal eine Schnecke im Tiefschlaf verbringen.
     
    Langer Rede kurzer Sinn: Ich beneidete die Schnecke um ihre vielen Fähigkeiten. Ich hätte viel darum gegeben, jederzeit ein Epiphragma bilden und mich von der Welt abschließen zu können. Und wenn ich schon nicht, wie die Schnecke, im Verhältnis zu meinem Körpergewicht ein Mehrfaches an Kraft haben konnte, so hätte ich doch gern wenigstens meine normale Kraft zurückerlangt. Wenn ich schon nicht senkrecht die Wand hinaufkriechen oder an der Decke haftend schlafen konnte, so wäre ich doch gern wenigstens wieder aufrecht gegangen, so wie der Rest meiner

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