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Geraeuschkiller - Mutige Liebe

Geraeuschkiller - Mutige Liebe

Titel: Geraeuschkiller - Mutige Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Severini
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sie aufkam. Und Wasser. Der Geruch von Seetang
stieg ihr in die Nase. Sie wurde ohnmächtig.

Die große Stille
     
    Miguel
schob dem Mann an der Pforte des Städtischen Krankenhauses einen Zettel zu.
Darauf stand:
    »Guten
Tag, wie komme ich bitte zu Frau Dr. Paulsen?«
    Der
Pförtner kritzelte darunter:
    » Station 8A. Durch die
gläserne Flügeltür. Flur geradeaus bis Ende, dann rechts ums Eck. Aufzug Mitte.
3. Stock, Zi. 101.«
    Miguel
nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte und hob grüßend die Hand.
    Es war das
erste Mal, dass er Anna vom Dienst abholte. Sie wollten heute gemeinsam nach
Hause fahren. Er schritt durch die gläserne Flügeltür – und stockte. Im Flur
lagerten dicht an dicht Patienten auf dem Boden, saßen auf den Fensterbänken
oder gingen hektisch auf und ab.Die Türen zu den Krankenzimmern standen
sperrangelweit offen, auch dort das gleiche Bild.
    Viele
wiegten sich unentwegt hin und her, die Hände auf die Ohren gedrückt, als
wollten sie sich davor schützen die totale Stille zu hören. Mit glasigem Blick
redeten sie lautlos vor sich hin. Wahrscheinlich wirres Zeug, dachte Miguel.
Stillekoller. Die Nervenkliniken waren überlastet, deshalb brachte man sie hierher
ins Städtische Krankenhaus.
    Er bahnte
sich einen Weg durch die Menge, stieg über Menschen, die lautlos wimmernd am
Boden lagen. Ein Albtraum. Er erreichte den Lift. Endlich.
    Schon von
weitem sah er ihre zarte, aufrechte Gestalt inmitten der Patienten, die auch
hier dicht gedrängt auf dem Boden lagerten. Anna notierte gerade etwas auf
ihren Notizblock und gab das Blatt einer Mutter, die mit ihrem weinenden Kind
im Arm vor ihr stand.
    Miguel
bewunderte Anna. Wie sie sich in diesem Chaos ruhig und geduldig über
handschriftliche Notizen mit Patienten, Krankenschwestern und Arztkollegen
verständigte! Eine starke Frau und dabei doch so zart und zerbrechlich.
    Im
Ärztezimmer waren sie endlich allein. Sie schenkte ihm aus einer Thermoskanne
Früchtetee ein. Jetzt erst bemerkte Miguel, wie blass sie aussah. Ihre Lippen
waren weiß und zu einem dünnen Strich zusammengepresst. Sie wollte etwas auf
ihren Block schreiben, aber der Kugelschreiber ging nicht. Sie fischte einen
anderen aus der Utensilienbox auf dem Ärztetisch und schrieb:
    » Alle Stationen
überfüllt. Viele Tablettenvergiftungen, weil  Leute Überdosis an
Schlafmitteln und Beruhigungspillen einnehmen. Großes Schweigen macht Leute
verrückt!«
    Er sah nur
noch ihre Augen, groß und müde. Ein Wunder, dass es überhaupt noch
Krankentransporte gibt, dachte er, obwohl der Funkverkehr komplett ausgefallen
ist. SMS- und E-Mail-Verkehr war fast nicht mehr möglich, weil alle Netze
überlastet waren. Die Rettungsdienste arbeiteten unter extrem erschwerten
Bedingungen.
    » Tut mir leid, wird noch
dauern, bis ich hier wegkomme. Zu viele Neuzugänge!«
    Er nickte
und schrieb: » Kein
Problem. Ich warte.«
    Sie nahm
die Krankenberichte der Neuzugänge, drückte ihm den Arm und ging hinaus.
    Miguel
seufzte. Innerhalb von zwei Tagen hatte er seinen Sendebetrieb auf
Schrifttafeln und Schriftbänder für Taubstumme umgestellt, er hatte
Taubstummentrainer ins Studio geholt, die die Zuschauer mit der Gebärdensprache
vertraut machen sollten. Auch er war erschöpft. Er setzte sich auf den nächstbesten
Stuhl und nickte ein.
     
    Spätnachmittags,
als sie im Auto an der Küste entlangfuhren, sah er aus den Augenwinkeln, dass
Annas Schultern zuckten. Er schaute zu ihr hinüber. Sie weinte. Er fuhr auf
einen kleinen Seitenweg und hielt an, nahm sie in die Arme und drückte sie an
sich. Das Schluchzen erschütterte ihren ganzen Körper. All die Tage hatte sie
sich beherrscht, jetzt öffneten sich die Schleusen.
    Lange saßen
sie so, eng umschlungen. Miguel streichelte behutsam über ihr Haar. Irgendwann
spürte er, dass sich ihre Brust ruhig und langsam hob und senkte. Sie war
eingeschlafen.
    Dass es
Menschen gibt, die das alles aushalten können ohne durchzudrehen, dachte er.
Clara war immer noch verschwunden, wahrscheinlich tot, vielleicht ermordet. Und
Pedro ... Es zog ihm das Herz zusammen, wenn er an seinen Jungen dachte. Er
hatte alle diese kleinen Augenblicke verpasst, in denen er seinem Sohn mit
einem Blick, mit einem Wort, mit einer Geste hätte zeigen können, wie sehr er
ihn liebte.
    Warum fiel
ihm das alles jetzt erst ein? Jetzt, wo es zu spät war. Wenn ich nicht so
erschöpft wäre, würde ich deswegen den Verstand verlieren, dachte er. Es hätte
so schön sein können

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