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Geraubte Erinnerung

Geraubte Erinnerung

Titel: Geraubte Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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entwickeln wollte, musste er diese Instinkte hinter sich lassen. Die Evolution würde sie von alleine niemals entfernen. Die Evolution war nicht dazu geschaffen, moralische Lebewesen hervorzubringen. Die Evolution ist ein blinder, willkürlicher Mechanismus, ein Wettstreit mit dem einzigen Zweck, das Überleben zu sichern.«
    Rachel sah nachdenklich aus. »Ich glaube, ich erkenne jetzt, worauf du hinaus willst.«
    »Dann sag es mir.«
    »Durch Jesus hat Gott versucht, die Menschen zur Abkehr von ihren primitiven Instinkten zu bewegen. Weg von der animalischen Seite.«
    »Ganz genau. Was hat Jesus gesagt und getan? Vergiss einmal das, was seine Anhänger daraus gemacht haben. Denk allein an seine Worte und Taten.«
    »›Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Wenn dir jemand auf die rechte Wange schlägt, halte ihm auch die linke hin.‹ Er hat seine menschlichen Instinkte abgelegt.«
    »›Gebt alles auf, was ihr besitzt, und folgt mir nach‹«, zitierte ich. »Jesus hat ein Vorbild gelebt, und die Menschen fühlten sich inspiriert, seinem Beispiel zu folgen.«
    »Aber er wurde dafür ermordet.«
    »Das war unausweichlich.«
    Rachel biss sich auf die Unterlippe und blickte aus dem Bullauge auf die blaue Welt unter uns. »Und seine Kreuzigung? Was geschah am Kreuz?«
    »Er starb. Die Flamme in ihm kehrte zu ihrem Ursprung zurück. Sie ließ die Welt aus Energie und Materie hinter sich.«
    »Es gab keine Auferstehung?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    Rachel seufzte tief; dann wandte sie sich zu mir, als fürchtete sie zu hören, was ich als Nächstes sagen würde. »Und was hat Gott dann getan?«
    »Er verzweifelte. Er hatte als Mensch sein Bestes gegeben, doch obwohl er viele beeinflusste, wurde seine Botschaft ausgeschmückt, verzerrt, ausgebeutet. Mehr als zweitausend Jahre lang schien der Mensch sich hauptsächlich darum zu bemühen, immer bessere Methoden zu erfinden, wie er seinesgleichen umbringen konnte. Bis …«
    »Was?«
    »Vor ein paar Monaten.«
    »Du sprichst von Project Trinity.«
    Ich nickte. »In Trinity lag die Saat der Erlösung, für die Menschheit und für Gott. Wenn es gelang, das menschliche Bewusstsein vom Körper zu lösen, konnte die Menschheit ihre primitiven Instinkte, die sie so lange verkrüppelt und eingeengt hatte, endlich hinter sich lassen.«
    »Und was tat Gott?«
    »Er richtete seine Aufmerksamkeit erneut auf die Welt, doch diesmal in viel kleinerem Maßstab. Auf unsere kleine Gruppe von sechs Männern und Frauen. Godin, Fielding, Skow, Nara, Klein und … mich.«
    »David, willst du sagen, was ich glaube, dass du sagen willst?«
    »Ja. Gott wollte in die Blase aus Materie und Energie zurück.«
    »Warum?«
    »Weil er sah, dass der Mann, der aller Wahrscheinlichkeit nach der erste sein würde, der die nächste Stufe der Evolution erreichen würde – das, was wir den Trinity-Zustand nennen –, die Menschheit genauso wahrscheinlich zerstören würde wie sie zu erretten.«
    »Peter Godin?«
    »Ja.«
    Rachel senkte den Blick in den Schoß. »Willst du mir sagen, dass Gott dich auserwählt hat, um Peter Godin daran zu hindern, sein Bewusstsein in den Trinity-Computer zu überspielen?«
    »Ja.«
    Sie nickte, als würde sie insgeheim eine Diagnose bestätigen; dann hob sie den Blick und sah mich an. »David, in Tennessee hast du mir erzählt, dass du glaubst, von Gott auserwählt zu sein. Hast du jetzt, in diesem Augenblick, das Gefühl, dass Gott in dir ist?«
    »Ja.«
    »Genauso wie er in Jesus war?«
    »Ein Teil dieser ursprünglichen Flamme ist nun in mir. Das ist der Grund, aus dem ich all diese Träume von Jerusalem geträumt habe. Der Grund, aus dem sie sich anfühlten wie Erinnerungen. Es waren tatsächlich Erinnerungen.«
    »Oh, David … nein, nein, nein.« Sie wandte den Kopf zur Seite und blinzelte die Tränen fort.
    »Du musst mir nicht glauben«, sagte ich. »Du wirst es bald mit eigenen Augen sehen.«
    »Was sehen? Was willst du tun?«
    »Godin aufhalten.«
    Sie drehte sich zu mir, und in ihren Augen blitzte es entschlossen. »David, ich will dir sagen, was ich denke. Ich muss es dir sagen, weil wir bald landen werden, und du hast General Kinski gebeten, uns in einer für uns lebensgefährlichen Gegend abzusetzen. Eine Umgebung, die zu betreten du nicht annähernd bereit bist.«
    »Rachel …«
    »Darf ich dir bitte sagen, was ich denke?«
    »Ja. Aber du hast mich nicht zu Ende reden lassen. Ich habe dir gesagt, um den Anfang zu verstehen, musst du das Ende

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